An der Süd-Ostküste Indiens
20.11.2017
Von Goa aus ging es dann mit dem Flieger nach Chennai. Denn dort hatte ich einen, für mich, sehr wichtigen Termin - den Besuch einer Palmblattbibliothek. Für die, die noch nie etwas davon gehört haben......
In einer Palmblattbibliothek werden Sammlungen von Palmblättern aufbewahrt, auf denen das vergangene, gegenwärtige und zukünftige Schicksal der Menschen in der altindischen Sprache Sanskrit oder im dravidischen Tamil niedergeschrieben ist. Die Urschriften verfassten angeblich die heiligen Rishi die in der Zeit um 5000 v. Chr. lebten. Ihre spirituellen Kräfte sollen die mythischen Weisen im alten Indien genutzt haben, um in der kosmischen Akasha-Chronik zu lesen und mehrere Millionen Lebensläufe von der Geburt bis zum Todeszeitpunkt auf Blätter der Stechpalme zu übertragen. Ein Palmblatt wird in der Regel nach rund 800 Jahren brüchig. Ist ein Blatt alt, fertigen die wenigen Eingeweihten, die die altindische Sprache noch beherrschen, eine Abschrift der Botschaften an und ritzen sie in eng geschriebenen Zeichen auf ein neues Palmblatt. Von jeder Urschrift soll es zwölf Kopien geben, die in den zwölf großen Hauptbibliotheken in Indien aufbewahrt werden.
Wie ging es dann weiter......
Ich hatte ein Hostel in Chennai gebucht und traf dort in meinem Dorm 2 nette junge Mädels aus Würzburg, die gerade für 3 Monate durch Indien reisten. Wir waren uns von Anfang an sympathisch, wie es unter Backpackern fast immer ist. So quatschten wir erstmal eine Zeit lang und erzählten uns gegenseitig unsere Erlebnisse…..Das Hostel lag nicht weit vom Meer und ich wollte später die Gegend noch ein wenig erkunden, doch zuvor musste ich erst einmal einen Arzt aufsuchen. Besser gesagt, einen Dermatologen. Die Geschichte - Mich hatte in Nepal eine Mücke in den Arm gestochen und irgendwie hat sich aus dem vermeintlich harmlosen Mückenstich eine größere Sache entwickelt, die ich nun schon 2 Monate mit mir rum schleppte, immer in der Hoffnung, es würde besser – wurde es aber nicht. Im Gegenteil – auf meinem rechten Unterarm entwickelten sich um die Einstichstelle herum kreisrunde Bläschen und ich konnte zusehen, wie die sich von Woche zu Woche weiter ausdehnten. Am Ende hatte ich eine ziemlich große, runde Stelle voll mit Bläschen, die mich, vor jucken fast wahnsinnig machten. Alles was ich drauf geschmiert hatte, half nicht mehr…..weder Lemon…Garlic…Tumeric….noch die Lotion, die ich in der Apotheke geholt hatte. Ich wusste, dass kann nicht ein normaler Stich gewesen sein. Also gab es nur eins, ich muss zum Arzt. Im Hostel fragte ich nach einem Dermatologen. Die Dame wusste keinen und schickte mich in ein Krankenhaus ca. 100 Meter entfernt. Okay, dachte ich……die werden schon wissen, was zu tun ist. Als ich das Krankenhaus betrat, war ich froh, dass ich keine größere Sache hatte. Oh mein Gott!!!!! Ich glaube so muss es in den Krankenhäusern um 1950 ausgesehen haben….inklusive der Krankenschwestern, Gerätschaften und Einrichtungen….ganz zu schweigen von der Sauberkeit……Ich zeigte einer Schwester meinen Arm und fragte nach einem Dermatologen. Sie schaute sich das an, ging fort und kam mit einem Arzt wieder. Der schaute sich ebenfalls meinen Arm an und sagte dann zu mir, dass er nicht weiß, was es ist, er nichts machen kann und dann gab er mir die Adresse von einem Dermatologen ganz in der Nähe. Also machte ich mich weiter auf die Suche durch die Straßen. Unterwegs hörte ich laute, fröhliche Musik. Am Straßenrand stand ein, mit Blumen geschmückter, großer bunter Wagen. Oh ein Fest!! – dachte ich. Ich hielt an und ein Stück weiter in einer Seitenstraße sah ich eine Kapelle spielen, die sich langsam in Richtung des Wagens bewegte. Ich dachte zuerst, die Kapelle steigt gleich auf den Wagen und fährt weg…….falsch gedacht!! Als sie näher kam, sah ich, es war ein Zug von Menschen. Ich hatte schon meine Kamera in der Hand und wollte Fotos machen. Vorne die Kapelle, dahinter viele Menschen, die Blumen streuten und dahinter…..was war das? Es wurde jemand auf einer Barre getragen……..Als der Zug näher kam, sah ich auf der Barre eine tote Frau in bunten Kleidern liegen. Es war kein Fest……es war eine Beerdigung. Für sie war der Wagen so schön geschmückt, für sie hat die Musik so schön gespielt und für sie streuten die Menschen unzählige Blumen.
Ich machte keine Fotos…….Ich schaute zu und dachte, was für ein schöner Abschied im Vergleich zu den Beerdigungen, die bei uns stattfinden. Wir werden in einen Sarg gesteckt, unter die Erde verbuttelt, oder verbrannt und unsere Asche in der Erde verbuttelt. Es wird dramatisch traurige Musik gespielt und alle sind schwarz gekleidet und gezeichnet von tiefem Schmerz über den Verlust eines Menschen – ein schrecklich der Gedanke!!! Ich muss an den Tod von meinem Vater denken und wie traurig ich war und wie schwer es war und auch heute noch ist, zu wissen er mich nie wieder in die Arme nehmen kann. Aber während meiner Reise habe ich auch erfahren, wie andere Länder mit dem Thema Tod umgehen, speziell im Buddhismus. Wir alle sind hier auf dieser Welt in unseren Körpern nur für eine bestimmte Zeit. Die einen verlassen uns plötzlich, unvorbereitet und viel zu früh, die anderen gehen irgendwann wenn die Zeit gekommen ist. Wieder andere, die vielleicht unheilbar krank sind, möchten gerne erlöst werden, dürfen aber nicht gehen, weil unser System eine aktive Sterbehilfe nicht erlaubt. So scheinbar ungerecht geht es zu. Ich persönlich befürworte die aktive Sterbehilfe und JA, ich glaube auch an die Wiedergeburt. Für mich ist mein Vater immer mit mir, auch auf dieser Reise. Diese Menschen hier waren auch traurig, das konnte ich in deren Gesichtern sehen, aber den Abschied, den sie der Verstorbenen bereiteten, war alles andere als eine Trauerfeier – es war doch ein Fest…….. Ein buntes Fest mit Würde und dem Wissen, das Leben in diesem Körper ist beendet, aber es wartet ein Neues. Das ganze Thema rund um den Tod eines Menschen ist kein einfaches und jeder geht damit anders um. Ich hatte immer große Angst vor dem Tod, aber während meiner Reise habe ich gelernt, besser damit umzugehen. Es fällt leichter, wenn man sich mal intensiv damit beschäftigt, was die meisten von uns in der westlichen Welt nicht tun. Aber unsere Erde ist voller Geheimnisse und Wunder – man muss sich nur öffnen und entdecken.
Ich stand etwas abseits am Straßenrand und betete für die Frau, bevor ich meinen Weg fortsetzte und weiter nach meinem Dermatologen suchte. Ich fand kurze Zeit später das Gebäude, jedoch war die Praxis geschlossen. Eine Frau im Hof sagte mir, dass der Arzt um 19 Uhr seine Praxis wieder öffnet. Okay…….jetzt war es gerade mal 17 Uhr, ich hatte also noch 2 Stunden Zeit. Genug Zeit um den Strand zu suchen. Ich dachte, ich werde dort bestimmt ein Lokal finden, nen Kaffee trinken und dort ein wenig am Meer entlang bummeln. Ich fand den Strand und das Meer auch relativ schnell, nur was ich dann zu Gesicht bekam, das war alles andere, als das was ich erwartete …..und das war schon nicht viel, denn immerhin war ich in Indien. Aber vielleicht war ich auch von Goa´s Stränden „verwöhnt“………Wohin ich auch schaute, ich sah nur Müll……..ich sah die Menschen im Müll sitzen….ich sah unzählige Fischerboote am Strand liegen……..ich sah die Fischer ihre Netz vom Fischfang leeren und was war in den Netzen?...mehr Müll, als Fisch !!! Ich dachte…Oh mein Gott!!! Das schwimmt also in unseren Meeren – Müll !!! Das fressen die Fische – Müll !!!!! Ich denke daran, dass es eigentlich selbstverständlich ist, am Meer auch Fisch zu essen. Aber bei dem Anblick verging mir echt der Appetit !!!! Ich esse nie wieder Fisch !!!!! Ich dachte, vielleicht wird es ein wenig weiter oben besser und ich machte mich auf den Weg am Strand entlang. Ich bahnte mir den Weg über Plastikflaschen, Plastiktüten, Papiermüll und sonstige Gegenstände, die vielleicht einmal zu irgend einem Haushalt gehört hatten. Irgendwie war ich auch der einzige Touri hier, der sich zu Fuß in der Gegend bewegte. Ein wenig später sah ich einen Mann im Sand hocken, der gerade dabei war, sein „Geschäft“ zu verrichten. (Ist in Indien nichts Ungewöhnliches und kannte ich noch von meinem ersten Urlaub hier vor vielen Jahren) Ich versuchte noch, nicht wirklich hinzuschauen, aber als er mich erblickte, hüpfte er in der Hocke und verschwand hinter dem nächsten Boot. Oh mein Gott!!!! Ich konnte nicht länger hier entlang laufen und ging zurück in Richtung Straße. Nur hier wurde es auch nicht wirklich besser. Die Fischer saßen am Straßenrand auf alten Kisten und versuchten ihren Fang zu verkaufen. Daneben ein beißender Geruch von den Fischabfällen, an denen sich die Fliegen, Hunde, Ziegen, Kühe und Krähen erfreuten. Ich wechselte die Straßenseite – hier war es auch nicht besser. Ich lief vorbei an Menschen, die hier auf der Straße ihr zu Hause hatten. Ich wurde von allen Seiten angestarrt und fühlte mich überhaupt nicht wohl. Es fing an zu dämmern und es war für mich definitiv an der Zeit, von hier zu verschwinden. Also schnell ein Tuktuk anhalten und nichts wie weg von hier!!!!!
Ich ließ mich von dem Tuktuk-Fahrer direkt vor der Arztpraxis absetzen. Die Tür war offen und ich betrat das Gebäude. Eine Frau saß am Eingang und ich fragte nach dem Dermatologen. Sie schob mir ein Buch über den Tisch, in das ich meinen Namen eintragen musste. Dann schickte sie mich ein Stück weiter den Gang runter zu einem Zimmer. Die Tür stand offen und ich blickte vorsichtig um die Ecke. Es war ein keiner Raum und hinter einem Schreibtisch, auf dem sich Berge von Medikamentenschachteln und Papiere wild durcheinander stapelten, entdeckte ich einen älteren, beleibten Mann mit einer großen Brille. Er winkte mich rein und bot mir den Stuhl neben seinem Schreibtisch an. Ich zeigte ihm meinen Arm und erzählte die Geschichte von dem Mückenstich 2 Monate zuvor. Er schaute durch seine dicke Hornbrille mein Fleck an und sagte zu mir: „ Ringworm“ Was?? Ein Wurm??.....Ich war entsetzt und sagte, es hat mich doch eine Mücke gestochen und kein Wurm gebissen!!!!.......Er beruhigte mich und meinte, es wäre auch kein Wurm in dem Sinn, sondern die Infektion die ich habe würde, man so bezeichnen. Es wäre eine Art Pilzinfektion, die durch Wasser übertragen würde und die nicht so einfach wieder verschwindet. Er verschrieb mir Tabletten und eine Lotion zum Auftragen. Nach 10 Tagen sollte ich wieder kommen und er würde schauen, ob die Tabletten gewirkt haben, wenn nicht, so würde ich andere bekommen. Na prima!!!! 10 Tage wollte ich hier in dieser großen Stadt sicher nicht verbringen. Aber egal…….ich war erstmal froh, dass ich jetzt wusste, was ich habe und die Mittel dagegen bekommen hatte.
Der Tag war anstrengend und ich war froh, als ich wieder zurück im Hostel war. Maren und Julia, die beiden Mädels aus Würzburg waren auch von ihrer Erkundungstour zurück. Wir erzählten uns noch eine Weile und machten einen Plan für den nächsten Tag. Es war schön, mal wieder Deutsch zu reden und mir fiel auf, dass ich doch tatsächlich manchmal nach den richtigen deutschen Worten suchen musste………
Am nächsten Tag gesellte sich noch Claire aus San Francisco zu uns und so gingen wir alle zusammen um die Ecke in ein Lokal typisch indisch frühstücken, bevor wir die Tempel in der Gegend erkundeten, das beste Eis aßen, was ich je gegessen hatte und uns später auf den Weg durch die Stadt machten, auf der Suche nach einem besseren Restaurant zum Abendessen. Ich glaube wir sind bestimmt 3 Kilometer gelaufen, bis wir etwas passendes fanden. Für den Rückweg entschieden wir uns einstimmig für ein Taxi, denn außerdem war noch packen angesagt. Die drei Mädels hatten genau wie ich nur 2 Nächte in Chennai gebucht, bevor ihre Reise weiter nach Pondicherry und meine auch gen Süden, nach Mamallapuram ging. Und weil es die gleiche Richtung war, traten wir am nächsten morgen unsere Reise gemeinsam an. Wir suchten, bepackt mit unseren Rucksäcken, nach der richtigen Haltestelle und fanden den Bus, der uns dann zur nächsten Haltestelle brachte, denn wir mussten umsteigen. Es war heiß und alles ein wenig verwirrend und keiner der Inder konnte uns wirklich Auskunft geben, aber am Ende hat alles geklappt und wir saßen im Bus nach Mamallapuram. Die Fahrt dauerte ne gute Stunde und ich genoss den Ausblick auf die grüne Landschaft und die vorbeiziehenden Tempel und Ortschaften.
In Mamallapuram angekommen, trennten sich unsere Wege. Ich machte mich auf den Weg in mein Guesthouse und die 3 Mädels fuhren dann weiter nach Pondicherry. Wieder nette Bekanntschaften – wieder Verabschiedungen……….So ist das auf Reisen und ich weiß nicht, die Wievielte das jetzt war……aber es waren sehr viele!!!! Mit manchen bin ich noch in Kontakt, mit anderen nicht. Es ist auch unmöglich Kontakt mit allen Bekanntschaften zu halten, die Erinnerungen jedoch, die bleiben…….
Mamallapuram – eine kleine Touristenstadt am Indischen Ozean, mit etwa 16.000 Einwohnern, einem schönen Strand und vielen Sehenswürdigkeiten, die sogar zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören.
Ich traf viele nette Menschen, aber einer bleibt mir in ganz besonderer Erinnerung – Hari. Ich traf ihn, als ich in der Nähe vom Strand die Gegend ein wenig erkundete und durch die Souvenir-Shops bummelte. Einer dieser Läden gehörte ihm. Ich wollte nichts kaufen und schaute mich nur um. Was mir sofort auffiel….sein breites, warmherziges Lächeln und seine blinkenden weißen Zähne. Er war im Gegensatz zu den anderen Shopbetreibern sehr freundlich und gar nicht aufdringlich. Im Gegenteil – er bot mir einen Stuhl an und wir begannen eine sehr emotionale Conversation über das Leben und die Familie. Er erzählte mir voller Stolz von seiner Frau und seinem Sohn und ich saß da, hörte zu und fühlte mich keine Sekunde lang unwohl. Im Gegenteil, ich war beeindruckt von so viel Bescheidenheit, Zufriedenheit und Fröhlichkeit. Er lud mich zum Chai trinken ein und ging kurz fort um welchen zu . Ich schaute mich ein wenig im Laden um und entdeckte eine kleine Buddha-Statue, die mich irgendwie faszinierte. Ich nahm sie in die Hand und…….auch wenn sich das jetzt vielleicht blöd anhört…….irgend etwas emotionales bewegte sie in mir und ich wusste, die muss ich kaufen. Hari kam zurück und ohne das ich etwas zu ihm sagen konnte, packte er mir den keinen Buddha ein und schenkte ihn mir. Nicht nur das – er sah sich in seinem Laden um und dann packte er aus den Regalen noch mehr Figuren ein…für Julia eine Eule aus Stein, für Frida 2 Elefanten, für meine Mutter einen Buddha und ich bekam noch einen Ganesh, die beliebteste Götterfigur im Hinduismus. Das Alles schenkte er mir…….Ich stand da und konnte gar nichts sagen – ich war einfach platt und wollte die Sachen auch erst gar nicht annehmen, aber ich konnte sehen, wie sehr sich Hari freute und das aus vollem Herzen mit seinem breiten Lächeln. Ich bedankte mich tausendmal und konnte gar nicht glauben, was mir gerade passiert war. Nicht genug – er lud mich für den nächsten Tag ein, mich mit seinem Motorrad zu einem Tempel zu fahren und außerdem zum Lunch zu sich nach Hause.
Es war Stück weit zu fahren, zu dem über 1000 Jahre alten ˋVedagiriswarar -Tempelˋ, auf einem Berg, hoch über der Stadt Tirukalukundram. Der Berg wird auch „Der Kailash von Südindien“ genannt und der Tempel ist dem Gott Shiva gewidmet. Wir fuhren durch die Orte und vorbei an unzähligen kleinen Bildhauer-Betrieben, die sich die Straße entlang, eng an eng reihten. Ich sah eine Weile nur noch dicke helle Staubwolken durch die Luft streifen – ein einziger Dunst um uns herum. Ich nahm instinktiv mein Tuch vor Mund und Nase. Rechts und links am Straßenrand sah ich die Männer sitzen, die an den riesigen Marmorblöcken schliffen und meißelten. Alles war bedeckt von einer dicken, hellen Staubschicht – die Straße, die Häuser, das Gras, die Bäume und auch die Menschen, die dort arbeiteten. Solche Arbeitsbedingungen……in Deutschland unvorstellbar!!! Ich glaube nicht, das die Menschen hier eine hohe Lebenserwartung haben……leider, denn es sind wahre Künstler. Zwischen den ganzen Dunst konnte ich die wunderschönen Steinfiguren sehen….Buddha, Ganesh, Shiva, Durga……alle möglichen Götter …. Meist Überlebensgroße, aber auch etwas Kleinere mit so filigranen Details und alles Handarbeit !! Die Region ist bekannt für seinen Steinmetzarbeiten und ich denke der Großteil der Skulpturen wird exportiert. Die stehen dann wahrscheinlich in den Gärten der Luxusvillen oder findet sich als Deko in den 5*Hotels wieder, vielleicht ohne darüber nachzudenken mit wieviel Schweiß und unter welchen Bedingungen sie hergestellt wurden.
Der Tempel wird seit ewigen Zeiten auch „Eagle Tempel“ genannt, weil wohl um die Mittagszeit dort immer 2 Adler erschienen, die dann von den Priestern Futter bekamen. Aber als ich dort ankam hab ich keine Adler gesehen, dafür aber unzählige Affen…..Okay..wir waren auch erst Nachmittags dort, denn der Tempel öffnet nur 2x am Tag, einmal früh und einmal nachmittags. Auf dem Weg, über die 565 überdachten Stufen, nach oben begleiteten uns die Affen, die über die Dächer rannten und polterten. Es war ganz schön anstrengend und ich merkte mal wieder, dass mir ein wenig Sport sicher gut tun würde…….Hari ist noch sehr jung, aber da er ganz schön beleibt ist, hatte er auch zu kämpfen und so machten wir unterwegs immer mal eine Pause und setzten uns auf die Stufen. Die Zeit nutzten wir zum unterhalten und Hari zeigte mir auf seinem Handy Fotos von Schulkindern. Dazu erzählte er mir, dass es viele Eltern hier in der Region gibt, die ihre Kinder aus finanziellen Gründen nicht zur Schule schicken können. Dabei kostet ein halbes Jahr Schulunterricht für ein Kind gerade mal 1000 Rupien, umgerechnet nicht mal 13 €. So haben es sich er und seine Frau zur Aufgabe gemacht, diesen Kindern eine Schulbildung zu ermöglichen oder wenigstens Lesen, Schreiben und Rechnen zu lehren. Das heißt, er organisiert, dass die Kinder abgeholt werden und zu ihm nach Hause gebracht werden. Dort hat er wohl einen überdachten Platz, wo er, sage und schreibe, 34 Kinder betreut. Er kauft ihnen Schultaschen, Stifte, Bücher, Hefte….alles was sie brauchen und versorgt sie auch noch mit Essen, denn seine Frau kocht jeden Tag für 34 Kinder. Ich schaue ihn an und frage ihn, wie er denn das alles finanziert??....Seine Antwort mit seinem breiten, weißen Lächeln….“ I don´t need a lot of money for me and my family. I´m happy to give the children a basic education for the life and make them happy….“ Ich schaue ihn fasziniert an und bin begeistert von seiner Güte…….(By the way…..er hat mich nicht einmal nach Geld für die Kinder gefragt, was man jetzt eigentlich erwarten würde……hat er aber nicht!!) Und wieder einmal mehr zeigt es mir, dass Geld sicher nicht das Wichtigste im Leben ist. Ja – im Moment brauchen wir Geld als Tauschmittel, um in der heutigen Gesellschaft zu überleben. Ohne Geld kein Essen – keine Wohnung…..etc…..Die Frage ist nur wiedermal…..Wieviel braucht man wirklich?? Warum gehen wir ständig shoppen und kaufen uns neue Sachen? Dabei könnte man mit einem Teil von dem Geld, wovon wir oftmals unnütze Dinge kaufen, anderen Menschen wirklich helfen und unterstützen. Da sind wir wieder bei dem WARUM?? Sich die Zeit nehmen, sich einmal hinzusetzen und über das WARUM wirklich nachzudenken hilft auch, sich ein Stück selbst und sein Inner-Life besser kennenzulernen. Außerdem-denkt an euer KARMA!!!
Als wir dann endlich oben ankamen, bot sich mir ein herrlicher Ausblick über die Stadt. Zwar war es etwas diesig, aber trotzdem schön. Den Tempel an sich betraten wir durch eine schmales, kleines Steintor und wir mussten uns bücken, um uns nicht den Kopf anzustoßen. Ich hatte schon Angst, dass Hari mit seinem Bauch nicht durch die Tür passt……ging aber nochmal gut ) Drinnen war es nass und duster. Von den dicken grauen Steinwänden tropfte das Wasser runter. Als wir um die Ecke kamen, sah ich dann den Schrein. Zu dem führten ein paar Stufen nach oben in einen Raum, in dem der Priester stand und die Leute segnete. Hari und ich gingen rein und der Priester begann mit mir eine kleine Puja. Danach hielt er mir einen Teller hin und ich sollte Donation geben. Dummerweise hatte ich nur wenig Geld bei mir und so legte ich alles Kleingeld was ich hatte auf den Teller. Offensichtlich war das dem Typ nicht genug….(zugegeben…es war wirklich wenig, aber ich hatte einfach nicht mehr bei mir…) und so fing er an in Tamil, seiner Sprache, laut zu schimpfen. Auch wenn ich die Sprache nicht verstand, ich verstand jedoch sinngemäß was er meinte, ohne das Hari übersetzen musste. Dann sagte ich zu dem Priester: „Look at you!!! You are much richer than me with a lot of golden necklace and golden chain on your body!!! I´m a traveller with small budget. Be happy that I gave you the last money from my pocket!!“ Er schaute mich an, lachte, dann nahm er meine Hand und alles war gut…..Jaja….India and the money…even the priest´s are corrupt……
Wir machten uns dann wieder auf den Rückweg die vielen Stufen runter und das war auch nicht leichter als das rauf gehen. Es dämmerte schon, als wir unten ankamen. Drauf aufs Motorrad und die 15 km zurück nach Mamallapuram. Das ich hier in der „Wildnis“ bin, wird mir spätestens wieder bewusst, als wir auf der Straße einer Schlange begegnen.
(Da fällt mir wieder mein Erlebnis von Goa ein…ich hatte nicht darüber geschrieben….Es war dunkel auf der Taxifahrt vom Airport nach Morjim. Ich saß auf der Rückbank und der Fahrer raste wie ein wilder. Ich sah im Scheinwerferlicht entfernt irgend etwas größeres auf der Straße liegen …..dachte zuerst ein Ast oder ein großes Stück Holz. Aber als wir näher kamen…..zu schnell näher kamen, sah ich…….es war eine riesige Schlange… bestimmt über 2 Meter lang….ich weiß noch genau, wie sie aussah….gelb, weiß und fett….vielleicht eine Python? Keine Ahnung…. Jedenfalls hatte ich noch nie so eine große Schlange in freier Wildbahn gesehen, außer vielleicht vor X-Jahren im Zoo und ich mag auch keine Schlangen, das heißt genauer…..ich habe Angst vor ihnen……Naja..ich saß ja im Auto und war sicher. Am Ende konnte der Taxifahrer nicht mehr bremsen…..ich sah, wie wir uns der Schlange in Affengeschwindigkeit nährten…. Ich war am schreien, kniff meine Augen zu, der Taxifahrer schrie ebenfalls laute Worte, die ich nicht verstand…..und dann merkte ich nur noch wie der Wagen holperte. Ich weiß nicht, ob sie das überlebt hat – ich konnte mich auch nicht umdrehen. Ich war nur geschockt und der Taxifahrer ebenso. Den Rest der Fahrt waren wir beide ganz still…..)
Am nächsten Tag verabredete ich mich mit Hari an seinem Shop. Es ist Lunch-Time. Ich schwang mich wieder auf sein Motorrad und er brachte mich zu sich nach Hause. Nach ein paar Minuten erreichten wir einen langen, einstöckigen Gebäudekomplex, mit vielen Türen. Es erinnerte mich irgendwie an eine Kaserne. Davor eine große Terrasse, auf der gerade gekocht wurde. Ganz selbstverständlich und mit seinem breiten Lachen, durch das seine weißen Zähne wieder blitzten, öffnete er mir die erste Tür und bat mich hinein. Ich stand in einem, vielleicht 15qm großem, Zimmer. Am anderen Ende des Raumes, in der Ecke sah ich 2 Betten, neben der Eingangstür einen größeren und kleineren Schrank, ich sah Spielzeug, einen kleinen Tisch, einen Fernseher an der Wand hängen und erblicke noch eine offen stehende Tür, die ins winzige Badezimmer führte. Es war alles sehr sauber. Jetzt realisierte ich es …… dieses kleine Zimmer ist das zu Hause von Hari, seiner Frau und seinem Sohn. Ich fragte nochmal nach, ob das auch sein zu Hause ist…später dachte ich, was für eine blöde Frage. Er sagte voller Stolz: „Yes“. Kurz darauf kam seine Frau herein und ich gab beiden die Geschenke, die ich mitgebracht hatte.
Ich wollte nicht mit leeren Händen zu der Einladung erscheinen und so fragte ich einfach einen Mann im Shop gegenüber meines Guesthouses, worüber sich denn eine indische Familie freuen würde, denn ich hätte eine Einladung zum Lunch bekommen. Ich bekam zur Antwort…“Über Klamotten“. Dann erklärte er sich sofort bereit, mich zu einem Geschäft in der Stadt zu fahren. Also wieder drauf aufs Motorrad und ab in die Stadt. Es ist nicht einfach etwas zu kaufen, wenn man die Personen gar nicht kennt, ich meine Hari´s Frau und seinen Sohn. Naja…am Ende kaufte ich für Hari ein schickes Hemd, für seine Frau einen roten Sari (weil mir der am besten gefiel) und für seinen Sohn ein T-Shirt, Hose und Malstifte.
Die Überraschung war mir gelungen, denn das hatten sie nicht erwartet. Und das ich auch noch die Lieblingsfarbe seiner Frau erwischt hatte und alles passte, hat mich um so mehr gefreut. Sie waren glücklich und ich hab mich mit ihnen gefreut, denn es war auch das mindeste, womit ich mich für die Gastfreundschaft bedanken konnte. Seine Frau brachte das Essen und ich bat sie, sich zu uns zu setzen. Sie stellte uns die Teller hin, lächelte freundlich und dann ging sie wieder nach draußen. Hari erklärte mir, dass sie später mit ihrem Sohn essen wird. Ich glaube aber eher, dass es einfach nicht üblich ist, sich als Frau mit an den Tisch zu setzen, wenn der Mann Gäste eingeladen hat. Die Erfahrung hatte ich auch in Nepal gemacht….. Nun kam meine Primäre, nämlich mit den Händen essen. Das hatte ich noch nie vorher gemacht, obwohl es hier und auch in Nepal ganz normal ist. Am Anfang kam ich mir etwas unbeholfen und unsicher vor. Ich schaute Hari zu, wie er mit seinen Händen das Essen formte und dann anschließend, ohne das etwas zu Boden fiel, in den Mund steckte. Er schaute zu mir und lachte. Ich machte es ihm nach und es war gar nicht so schwer. Schließlich war ich in Indien und das schon lange genug und so wurde es höchste Zeit, sich den indischen Gepflogenheiten anzupassen….nicht allen…aber manchen.. Das Essen war jedenfalls super lecker und ich musste Nachschlag nehmen, ob ich wollte oder nicht, denn eh ich mich versah, kam seine Frau wieder zur Tür herein und füllte meinen Teller mit leckerem Dal. Ich war dem Platzen nah, wollte aber auch nicht unhöflich sein. Kurze Zeit später kam dann sein süßer kleiner Sohn aus der Schule und so saßen wir zu viert in dem kleinen Zimmer und unterhielten uns über das Leben in unseren zwei unterschiedlich Welten.
Am nächsten Morgen heißt es Abschied nehmen von Mamallapuram. Meine Reise geht weiter südlich, nach Pondicherry. Ich sehne mich nach etwas Ruhe, auch um die ganzen Informationen, die ich bei der Palmblattlesung bekommen habe, zu verarbeiten. Außerdem wollte ich mir auch Auroville anschauen. Ich hatte schon viel von der Stadt gehört.
(Auroville ist eine geplante internationale Stadt, die auf der Gesellschaftstheorie von Sri Aurobindo beruht. Sri Aurobindo war ein Inder. Er lebte von 1872 – 1950, war ein revolutionärer Politiker und unheimlich gebildeter Mann. Er verbrachte einige Jahre seines Lebens in England, wo er sich intensiv mit europäischer Literatur, Geschichte und Sprachen befasste. Er hatte den Traum von einem Ort, in dem die Menschen aus aller Welt ein glückliches, gerechtes und edles Leben führen können. Diesen Traum verwirklichte ihm nach seinem Tod Mirra Alfassa, eine Französin, die mit ihm zusammen lebte. So wurde 1968 Auroville eröffnet, sogar mit der Unterstützung der indischen Regierung, der Vereinten Nationen und der UNESCO)
Pünktlich um 8:00 Uhr stand Hari mit seinem Motorrad vor meinem Guesthouse. Ich schwang mich wieder aufs Motorrad, aber diesmal mit meinem großen Rucksack auf dem Rücken und noch einen Kleinen, den ich Hari vor mir gab. Während der Fahrt zur Bushaltestelle musste ich mich bei jedem Hügel und jedem Schlagloch auf der Straße konzentrieren und aufpassen, dass mich Hari nicht unterwegs mit samt dem Rucksack verliert. Wiedermal merkte ich, ich schleppe einfach immer noch zu viele Kilos mit mir rum. Dabei hatte ich schon meine ganzen dicken Klamotten nach Hause geschickt, denn ich beschloss den Rest meiner Reise, nur an warmen Orten zu verbringen.
Wir waren pünktlich an der Bushaltestelle, die eigentlich keine richtige Haltestelle war, sondern eher eine Zusammenkunft einiger Menschen am Straßenrand. Hari brachte es dann auch noch tatsächlich fertig, mir zum Abschied noch ein Geschenk zu überreichen. Es war ein Schal mit lieben Grüßen von seiner Frau. Wir hatten noch Zeit für eine Umarmung mit dem Versprechen, dass wir im Kontakt bleiben. Dann kam auch schon der Bus mit der lautstarken Musik angerast. Ich mag die fröhliche Musik in den Bussen. Ja gut….zugegeben…manchmal könnte sie ein wenig leiser sein. Besonders wenn man eine lange Fahrt vor sich hat. Aber an dem Tag waren es nur 1 ½ Stunden.
Es hatte wahrscheinlich unterwegs geregnet. Und weil es in den Bussen meist keine, und wenn dann nur undichte Fenster gibt, waren die Sitze so ziemlich alle nass. Ich musste bis nach hinten, um einen zu finden, auf dem sich kein See befand. Ich saß noch nicht einmal und schon fuhr der Bus einem Affentempo weiter. Tja..auch wenn Züge und Flüge meistens Verspätung haben, die Busse in Indien fahren pünktlich ….. das ist jedenfalls meine Erfahrung.
Ich ließ mich kurz vor Pondicherry absetzen und nahm eine Rikscha zum Auroville. Mein Plan, ich wollte dort ein paar Tage in Ruhe verbringen und mit Schreiben verbringen. Am Ende kam dann doch alles wieder anders, wie so oft auf meiner eigentlichen planlosen Reise………Der Fahrer lies mich beim Visitor-Centre raus. Ich schaute mich um……ein schöner, friedlicher Platz unter Bäumen, gleich einem kleinen Park. Ich sah Cafés und Restaurants, Shops, viele Menschen aus allen möglichen Nationen und allen Altersklassen. Und es war soooo sauber!!! Ich suchte den Guest-Accommodation-Service und fand ein schönes Büro mit einer netten Russin hinter dem Schreibtisch. Das Problem….. da ich kein Zimmer im Voraus gebucht hatte, waren alle annehmbaren Unterkünfte ausgebucht. Das einzige was ich bekommen konnte, war ein Zimmer etwas außerhalb von dem eigentlichen Zentrum. Ich buchte das Zimmer, oder besser die Hütte für 5 Nächte. Kurze Zeit später saß ich im Elektro-Auto, das mich zu meiner Unterkunft brachte. Ich betrat das Areal und eigentlich sah alles ganz nett aus…..hübscher, urwüchsiger Garten mit einem kleinen Teich in der Mitte. Drumherum die einzelnen Hütten, an der Seite Duschen und Toilette. Ich schaute mich um, aber sah niemanden…alles war wie ausgestorben. Dann kam dann ein Typ um die Ecke und zeigte mir die Unterkünfte aus denen ich wählen konnte – zwischen einer Bambus-Hütte auf Stelzen oder einer etwas stabileren am Boden. Ich entschied mich für die Stabilere und packte meinen Rucksack ins Zimmer. Irgendwie war alles ziemlich luftig in dem Raum. Die Wände drum herum waren zwar aus Stein, aber die Giebel am Dach waren nach beiden Seiten hin offen. Es gab zwar Fenster mit Vorhängen, die waren aber auch ohne Scheiben. In dem Zimmer stand ein Bett über dem ein Moskitonetz gespannt war. Ich weiß nicht, wann das letzte mal hier jemand geschlafen hatte, denn irgendwie sammelte sich der Dreck vom Dach auf dem Moskitonetz und durchs Moskitonetz rieselte dieser dann aufs Bett. Ich setzte mich vor meine Hütte. Am Anfang fand ich es auch noch sehr urig und schön. Doch je länger ich da saß, erschleichte mich ein komisches Gefühl. Ich konnte nicht sehen, dass hier irgend welche Gäste waren….ich hatte keinen Handyempfang und kein WLAN…ich war also von der Außenwelt abgeschnitten. Ich versuchte noch, es mir schön zu reden……ja , nun kannst du dich mit dir selber beschäftigen, kannst meditieren, kannst schreiben – nichts um dich herum, was dich ablenkt……
Ich beschloss, mich ein wenig auf dem weitläufigen Areal umzuschauen. Ich lief los und irgendwann erreichte ich ein größeres Haus, in dem sich ein Kaffee befand. Ich wollte mir etwas bestellen, aber das Zahlungsmittel hier waren keine Rupien, sondern jeder Bewohner hatte eine Art Chip-Karte mit Guthaben, von der abgebucht wurde. Da stand ich nun und konnte mir nicht einmal etwas zu essen kaufen……..Ein junges Mädel neben mir checkte meine Situation und bot mir an, ihre Karte zu benutzen. In dem Moment war ich so froh, nahm dankend an und gab ihr dafür den Wert in Rupien zurück. Da saß ich nun mit meinem Kaffee und einem Stück Kuchen, worauf ich eigentlich auch nicht wirklich Hunger hatte, aber es gab auch nichts anderes. Um mich herum die Menschen, die hier in Auroville leben. Ich hörte viele verschiedene Sprachen – Englisch, Spanisch, Hindi, Russisch, Französisch und auch Deutsch.... Ich aß meinen Kuchen und machte mich auf den Rückweg. Es fing an zu dämmern und es fing an zu regnen. Zum Glück hatte ich meinen Schirm dabei und so suchte ich durch die Pfützen und Matsch watend, den Weg zurück zu meiner Hütte. Es war dunkel als ich ankam. Ich sah immer noch keine anderen Gäste und mein Gefühl, dass das doch nicht der richtige Ort für mich war, wurde immer stärker. Ich hatte aber keine andere Wahl……ich musste die Nacht hier verbringen, denn ich wusste nicht, wo ich sonst hingehen sollte. Ich schüttelte alle Bettlaken aus und versuchte es mir, mit meinen eigenen Sachen, meinem eigenen Bed-Sheet und meiner eigenen Decke irgendwie halbwegs annehmbar zu machen. Auch das Wetter passte zu meiner Stimmung, denn es schüttete wie aus Eimern. Ich lies das Licht die ganze Nacht an und schlief sehr schlecht. Für mich war klar, dass ich am nächsten morgen hier so schnell wie möglich verschwinden muss.
Ich war früh wach, stopfte alle meine Sachen in den Rucksack, schrieb einen Zettel für den Vermieter, denn ich sah auch früh niemanden – ich wollte nur so schnell wie möglich weg von dem Ort. Ich ging zurück zum Gästeservice, in der Hoffnung, ich würde noch einen andere Unterkunft bekommen. Die nette Russin gab mir auch ein paar Adressen. Doch diesmal wollte ich mir die Unterkunft vorher anschauen und machte mich auf den Weg zur International Area. Dort wäre wohl noch ein Zimmer im Tibet-House frei. Ein Zimmer für 700 Rupien, das sind umgerechnet ca. 8,50€. Die Leute dort waren auch sehr nett, doch das Zimmer für das Geld war schrecklich. In Deutschland sind 8,50€ für ein Zimmer kein Geld, doch für mich ist es ein teures Zimmer und dementsprechend dachte ich auch, es wäre ein schönes…….aber…….ich dachte mal wieder nur….besser ist, nicht zu denken und keine Erwartungen zu haben. Denn als ich das Zimmer betrat, wurde ich wiedermal enttäuscht……….Es war kein Zimmer, für mich war es eher eine Zelle…ja es sah aus wie eine schmale Gefängniszelle, nur ohne Gitter an den Fenstern. Meine Entscheidung stand fest…….ich werde jetzt hier in Auroville nicht weiter rum rennen, um ein passendes Zimmer für mich zu finden. Es war einfach nicht der richtige Zeitpunkt für mich……Ich entschloss mich, noch Mantrimandir (das Mediationszentrum) anzuschauen, dann nach Pondicherry zu fahren, mich in ein nettes Café zu setzen und darauf zu vertrauen, dass ich schon irgendwo ein nettes Zimmer finden werde.
Maren, das Mädel aus Würzburg, hatte mir irgendwann mal eine nettes französisches Café in Pondicherry empfohlen und das sollte meine Anlaufstelle sein. Ich nahm eine Rikscha und lies mich mit meinem ganzen Gepäck direkt vorm „Crepes in Touch“ absetzen. Es war wirklich soooo gemütlich und das Angebot himmlisch für mich….Es gab frischen Salat, frische Säfte und allerlei leckere französische Spezialitäten und ich genoss es. Die Eigentümerin war ebenfalls eine junge Französin. Ich fragte sie, ob ich denn meinen Rucksack deponieren könne, da ich auf der Suche nach einem Zimmer sei. Ich war gerade dabei, mein Gepäck in der Abstellkammer zu verstauen, da sagte sie zu mir, dass das Pärchen, welches gerade an der Bar Platz genommen hatte, ein Guesthouse besitzt. Ich fragte die beiden nach einem Zimmer und tatsächlich, sie hatten eines frei. Der Mann bot mir sogar an, mich mit seinem Motorrad hinzubringen. Wieder schwang ich mich mit meinem riesigen Rucksack auf das Motorrad. Unterwegs erklärte er mir noch in Englisch mit dem süßen französischem Akzent die halbe Stadt…….“Ja, der Weg führt da hin….und der Weg dort hin….und wenn du diesen Weg nimmst, dann kommst du an den Ort…“ und, und, und….. Ich mag irgendwie den englischen Akzent der Franzosen – der klingt so melodisch...
Wir fuhren ein Stück außerhalb und hielten etwas abseits in einer Seitenstraße vor einer wunderschönen alten Villa. Ich war überrascht und happy. Ich wurde zu meinem Zimmer gebracht und es war wunderbar!!! Es gab außerdem eine tolle Dachterrasse mit Küche, Hängematte und Chill-Out Liegen…. Am Ende zahlte ich auch nur 700 Rupien, bekam aber dafür ein süßes Zimmer mit Bad. Es war genau das, was ich gesucht hatte. Am Ende kam alles so , wie ich es mir vorgestellt hatte…..Wieder einmal machte ich die Erfahrung – LOSLASSEN und auf seine innere Stimme hören und alles kommt, wie es kommen soll!!!
Pondicherry - die Stadt war bis 1954 Hauptstadt von Französisch-Indien und der Einfluss aus der Kolonialzeit ist in dem französischem Viertel deutlich zu sehen. Es gibt französische Restaurants, französische Bäckereien, breite Boulevards, große Villen und schöne Parks. Die Straßen tragen Namen wie, Rue de la Porte, Rue Petit Canal oder Rue Saint-Therese. Ich genoss all die leckeren französischen Sachen….. Croissants, Baguette, Quiche, Eclair und nach langer Zeit einen richtigen Cappuccino!!! Ich fühlte mich nicht wie in Indien – nein ich fühlte mich wie Gott in Frankreich!!! Ich genoss diesen schönen Ort, schlenderte entlang der Strandpromenade und durch die Parks, besuchte den Sri Aurobindo Ashram, schaute mir die Kirchen an und lachte über den Weihnachtskitsch am Straßenrand. Ich verbrachte viel Zeit auf dem Roof-Top meines Guesthouses, kochte mein Essen und hatte sehr interessante Gespräche mit den anderen Gästen……Judy aus Australien, Sylvia aus Italien, Arthur aus Frankreich…..jeder hatte seine eigene Geschichte….
Und…..ich musste ja auch noch mal einen Doc aufsuchen, wegen meinem Fleck am Arm. Am Ende bekam ich andere Tabletten, andere Lotion und noch Seife……Und!!!! …..Es hatte geholfen….Endlich!!!....Nach 3 Monaten war mein Fleck verschwunden……Gott sei Dank!!
Von Goa aus ging es dann mit dem Flieger nach Chennai. Denn dort hatte ich einen, für mich, sehr wichtigen Termin - den Besuch einer Palmblattbibliothek. Für die, die noch nie etwas davon gehört haben......
In einer Palmblattbibliothek werden Sammlungen von Palmblättern aufbewahrt, auf denen das vergangene, gegenwärtige und zukünftige Schicksal der Menschen in der altindischen Sprache Sanskrit oder im dravidischen Tamil niedergeschrieben ist. Die Urschriften verfassten angeblich die heiligen Rishi die in der Zeit um 5000 v. Chr. lebten. Ihre spirituellen Kräfte sollen die mythischen Weisen im alten Indien genutzt haben, um in der kosmischen Akasha-Chronik zu lesen und mehrere Millionen Lebensläufe von der Geburt bis zum Todeszeitpunkt auf Blätter der Stechpalme zu übertragen. Ein Palmblatt wird in der Regel nach rund 800 Jahren brüchig. Ist ein Blatt alt, fertigen die wenigen Eingeweihten, die die altindische Sprache noch beherrschen, eine Abschrift der Botschaften an und ritzen sie in eng geschriebenen Zeichen auf ein neues Palmblatt. Von jeder Urschrift soll es zwölf Kopien geben, die in den zwölf großen Hauptbibliotheken in Indien aufbewahrt werden.
Wie ging es dann weiter......
Ich hatte ein Hostel in Chennai gebucht und traf dort in meinem Dorm 2 nette junge Mädels aus Würzburg, die gerade für 3 Monate durch Indien reisten. Wir waren uns von Anfang an sympathisch, wie es unter Backpackern fast immer ist. So quatschten wir erstmal eine Zeit lang und erzählten uns gegenseitig unsere Erlebnisse…..Das Hostel lag nicht weit vom Meer und ich wollte später die Gegend noch ein wenig erkunden, doch zuvor musste ich erst einmal einen Arzt aufsuchen. Besser gesagt, einen Dermatologen. Die Geschichte - Mich hatte in Nepal eine Mücke in den Arm gestochen und irgendwie hat sich aus dem vermeintlich harmlosen Mückenstich eine größere Sache entwickelt, die ich nun schon 2 Monate mit mir rum schleppte, immer in der Hoffnung, es würde besser – wurde es aber nicht. Im Gegenteil – auf meinem rechten Unterarm entwickelten sich um die Einstichstelle herum kreisrunde Bläschen und ich konnte zusehen, wie die sich von Woche zu Woche weiter ausdehnten. Am Ende hatte ich eine ziemlich große, runde Stelle voll mit Bläschen, die mich, vor jucken fast wahnsinnig machten. Alles was ich drauf geschmiert hatte, half nicht mehr…..weder Lemon…Garlic…Tumeric….noch die Lotion, die ich in der Apotheke geholt hatte. Ich wusste, dass kann nicht ein normaler Stich gewesen sein. Also gab es nur eins, ich muss zum Arzt. Im Hostel fragte ich nach einem Dermatologen. Die Dame wusste keinen und schickte mich in ein Krankenhaus ca. 100 Meter entfernt. Okay, dachte ich……die werden schon wissen, was zu tun ist. Als ich das Krankenhaus betrat, war ich froh, dass ich keine größere Sache hatte. Oh mein Gott!!!!! Ich glaube so muss es in den Krankenhäusern um 1950 ausgesehen haben….inklusive der Krankenschwestern, Gerätschaften und Einrichtungen….ganz zu schweigen von der Sauberkeit……Ich zeigte einer Schwester meinen Arm und fragte nach einem Dermatologen. Sie schaute sich das an, ging fort und kam mit einem Arzt wieder. Der schaute sich ebenfalls meinen Arm an und sagte dann zu mir, dass er nicht weiß, was es ist, er nichts machen kann und dann gab er mir die Adresse von einem Dermatologen ganz in der Nähe. Also machte ich mich weiter auf die Suche durch die Straßen. Unterwegs hörte ich laute, fröhliche Musik. Am Straßenrand stand ein, mit Blumen geschmückter, großer bunter Wagen. Oh ein Fest!! – dachte ich. Ich hielt an und ein Stück weiter in einer Seitenstraße sah ich eine Kapelle spielen, die sich langsam in Richtung des Wagens bewegte. Ich dachte zuerst, die Kapelle steigt gleich auf den Wagen und fährt weg…….falsch gedacht!! Als sie näher kam, sah ich, es war ein Zug von Menschen. Ich hatte schon meine Kamera in der Hand und wollte Fotos machen. Vorne die Kapelle, dahinter viele Menschen, die Blumen streuten und dahinter…..was war das? Es wurde jemand auf einer Barre getragen……..Als der Zug näher kam, sah ich auf der Barre eine tote Frau in bunten Kleidern liegen. Es war kein Fest……es war eine Beerdigung. Für sie war der Wagen so schön geschmückt, für sie hat die Musik so schön gespielt und für sie streuten die Menschen unzählige Blumen.
Ich machte keine Fotos…….Ich schaute zu und dachte, was für ein schöner Abschied im Vergleich zu den Beerdigungen, die bei uns stattfinden. Wir werden in einen Sarg gesteckt, unter die Erde verbuttelt, oder verbrannt und unsere Asche in der Erde verbuttelt. Es wird dramatisch traurige Musik gespielt und alle sind schwarz gekleidet und gezeichnet von tiefem Schmerz über den Verlust eines Menschen – ein schrecklich der Gedanke!!! Ich muss an den Tod von meinem Vater denken und wie traurig ich war und wie schwer es war und auch heute noch ist, zu wissen er mich nie wieder in die Arme nehmen kann. Aber während meiner Reise habe ich auch erfahren, wie andere Länder mit dem Thema Tod umgehen, speziell im Buddhismus. Wir alle sind hier auf dieser Welt in unseren Körpern nur für eine bestimmte Zeit. Die einen verlassen uns plötzlich, unvorbereitet und viel zu früh, die anderen gehen irgendwann wenn die Zeit gekommen ist. Wieder andere, die vielleicht unheilbar krank sind, möchten gerne erlöst werden, dürfen aber nicht gehen, weil unser System eine aktive Sterbehilfe nicht erlaubt. So scheinbar ungerecht geht es zu. Ich persönlich befürworte die aktive Sterbehilfe und JA, ich glaube auch an die Wiedergeburt. Für mich ist mein Vater immer mit mir, auch auf dieser Reise. Diese Menschen hier waren auch traurig, das konnte ich in deren Gesichtern sehen, aber den Abschied, den sie der Verstorbenen bereiteten, war alles andere als eine Trauerfeier – es war doch ein Fest…….. Ein buntes Fest mit Würde und dem Wissen, das Leben in diesem Körper ist beendet, aber es wartet ein Neues. Das ganze Thema rund um den Tod eines Menschen ist kein einfaches und jeder geht damit anders um. Ich hatte immer große Angst vor dem Tod, aber während meiner Reise habe ich gelernt, besser damit umzugehen. Es fällt leichter, wenn man sich mal intensiv damit beschäftigt, was die meisten von uns in der westlichen Welt nicht tun. Aber unsere Erde ist voller Geheimnisse und Wunder – man muss sich nur öffnen und entdecken.
Ich stand etwas abseits am Straßenrand und betete für die Frau, bevor ich meinen Weg fortsetzte und weiter nach meinem Dermatologen suchte. Ich fand kurze Zeit später das Gebäude, jedoch war die Praxis geschlossen. Eine Frau im Hof sagte mir, dass der Arzt um 19 Uhr seine Praxis wieder öffnet. Okay…….jetzt war es gerade mal 17 Uhr, ich hatte also noch 2 Stunden Zeit. Genug Zeit um den Strand zu suchen. Ich dachte, ich werde dort bestimmt ein Lokal finden, nen Kaffee trinken und dort ein wenig am Meer entlang bummeln. Ich fand den Strand und das Meer auch relativ schnell, nur was ich dann zu Gesicht bekam, das war alles andere, als das was ich erwartete …..und das war schon nicht viel, denn immerhin war ich in Indien. Aber vielleicht war ich auch von Goa´s Stränden „verwöhnt“………Wohin ich auch schaute, ich sah nur Müll……..ich sah die Menschen im Müll sitzen….ich sah unzählige Fischerboote am Strand liegen……..ich sah die Fischer ihre Netz vom Fischfang leeren und was war in den Netzen?...mehr Müll, als Fisch !!! Ich dachte…Oh mein Gott!!! Das schwimmt also in unseren Meeren – Müll !!! Das fressen die Fische – Müll !!!!! Ich denke daran, dass es eigentlich selbstverständlich ist, am Meer auch Fisch zu essen. Aber bei dem Anblick verging mir echt der Appetit !!!! Ich esse nie wieder Fisch !!!!! Ich dachte, vielleicht wird es ein wenig weiter oben besser und ich machte mich auf den Weg am Strand entlang. Ich bahnte mir den Weg über Plastikflaschen, Plastiktüten, Papiermüll und sonstige Gegenstände, die vielleicht einmal zu irgend einem Haushalt gehört hatten. Irgendwie war ich auch der einzige Touri hier, der sich zu Fuß in der Gegend bewegte. Ein wenig später sah ich einen Mann im Sand hocken, der gerade dabei war, sein „Geschäft“ zu verrichten. (Ist in Indien nichts Ungewöhnliches und kannte ich noch von meinem ersten Urlaub hier vor vielen Jahren) Ich versuchte noch, nicht wirklich hinzuschauen, aber als er mich erblickte, hüpfte er in der Hocke und verschwand hinter dem nächsten Boot. Oh mein Gott!!!! Ich konnte nicht länger hier entlang laufen und ging zurück in Richtung Straße. Nur hier wurde es auch nicht wirklich besser. Die Fischer saßen am Straßenrand auf alten Kisten und versuchten ihren Fang zu verkaufen. Daneben ein beißender Geruch von den Fischabfällen, an denen sich die Fliegen, Hunde, Ziegen, Kühe und Krähen erfreuten. Ich wechselte die Straßenseite – hier war es auch nicht besser. Ich lief vorbei an Menschen, die hier auf der Straße ihr zu Hause hatten. Ich wurde von allen Seiten angestarrt und fühlte mich überhaupt nicht wohl. Es fing an zu dämmern und es war für mich definitiv an der Zeit, von hier zu verschwinden. Also schnell ein Tuktuk anhalten und nichts wie weg von hier!!!!!
Ich ließ mich von dem Tuktuk-Fahrer direkt vor der Arztpraxis absetzen. Die Tür war offen und ich betrat das Gebäude. Eine Frau saß am Eingang und ich fragte nach dem Dermatologen. Sie schob mir ein Buch über den Tisch, in das ich meinen Namen eintragen musste. Dann schickte sie mich ein Stück weiter den Gang runter zu einem Zimmer. Die Tür stand offen und ich blickte vorsichtig um die Ecke. Es war ein keiner Raum und hinter einem Schreibtisch, auf dem sich Berge von Medikamentenschachteln und Papiere wild durcheinander stapelten, entdeckte ich einen älteren, beleibten Mann mit einer großen Brille. Er winkte mich rein und bot mir den Stuhl neben seinem Schreibtisch an. Ich zeigte ihm meinen Arm und erzählte die Geschichte von dem Mückenstich 2 Monate zuvor. Er schaute durch seine dicke Hornbrille mein Fleck an und sagte zu mir: „ Ringworm“ Was?? Ein Wurm??.....Ich war entsetzt und sagte, es hat mich doch eine Mücke gestochen und kein Wurm gebissen!!!!.......Er beruhigte mich und meinte, es wäre auch kein Wurm in dem Sinn, sondern die Infektion die ich habe würde, man so bezeichnen. Es wäre eine Art Pilzinfektion, die durch Wasser übertragen würde und die nicht so einfach wieder verschwindet. Er verschrieb mir Tabletten und eine Lotion zum Auftragen. Nach 10 Tagen sollte ich wieder kommen und er würde schauen, ob die Tabletten gewirkt haben, wenn nicht, so würde ich andere bekommen. Na prima!!!! 10 Tage wollte ich hier in dieser großen Stadt sicher nicht verbringen. Aber egal…….ich war erstmal froh, dass ich jetzt wusste, was ich habe und die Mittel dagegen bekommen hatte.
Der Tag war anstrengend und ich war froh, als ich wieder zurück im Hostel war. Maren und Julia, die beiden Mädels aus Würzburg waren auch von ihrer Erkundungstour zurück. Wir erzählten uns noch eine Weile und machten einen Plan für den nächsten Tag. Es war schön, mal wieder Deutsch zu reden und mir fiel auf, dass ich doch tatsächlich manchmal nach den richtigen deutschen Worten suchen musste………
Am nächsten Tag gesellte sich noch Claire aus San Francisco zu uns und so gingen wir alle zusammen um die Ecke in ein Lokal typisch indisch frühstücken, bevor wir die Tempel in der Gegend erkundeten, das beste Eis aßen, was ich je gegessen hatte und uns später auf den Weg durch die Stadt machten, auf der Suche nach einem besseren Restaurant zum Abendessen. Ich glaube wir sind bestimmt 3 Kilometer gelaufen, bis wir etwas passendes fanden. Für den Rückweg entschieden wir uns einstimmig für ein Taxi, denn außerdem war noch packen angesagt. Die drei Mädels hatten genau wie ich nur 2 Nächte in Chennai gebucht, bevor ihre Reise weiter nach Pondicherry und meine auch gen Süden, nach Mamallapuram ging. Und weil es die gleiche Richtung war, traten wir am nächsten morgen unsere Reise gemeinsam an. Wir suchten, bepackt mit unseren Rucksäcken, nach der richtigen Haltestelle und fanden den Bus, der uns dann zur nächsten Haltestelle brachte, denn wir mussten umsteigen. Es war heiß und alles ein wenig verwirrend und keiner der Inder konnte uns wirklich Auskunft geben, aber am Ende hat alles geklappt und wir saßen im Bus nach Mamallapuram. Die Fahrt dauerte ne gute Stunde und ich genoss den Ausblick auf die grüne Landschaft und die vorbeiziehenden Tempel und Ortschaften.
In Mamallapuram angekommen, trennten sich unsere Wege. Ich machte mich auf den Weg in mein Guesthouse und die 3 Mädels fuhren dann weiter nach Pondicherry. Wieder nette Bekanntschaften – wieder Verabschiedungen……….So ist das auf Reisen und ich weiß nicht, die Wievielte das jetzt war……aber es waren sehr viele!!!! Mit manchen bin ich noch in Kontakt, mit anderen nicht. Es ist auch unmöglich Kontakt mit allen Bekanntschaften zu halten, die Erinnerungen jedoch, die bleiben…….
Mamallapuram – eine kleine Touristenstadt am Indischen Ozean, mit etwa 16.000 Einwohnern, einem schönen Strand und vielen Sehenswürdigkeiten, die sogar zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören.
Ich traf viele nette Menschen, aber einer bleibt mir in ganz besonderer Erinnerung – Hari. Ich traf ihn, als ich in der Nähe vom Strand die Gegend ein wenig erkundete und durch die Souvenir-Shops bummelte. Einer dieser Läden gehörte ihm. Ich wollte nichts kaufen und schaute mich nur um. Was mir sofort auffiel….sein breites, warmherziges Lächeln und seine blinkenden weißen Zähne. Er war im Gegensatz zu den anderen Shopbetreibern sehr freundlich und gar nicht aufdringlich. Im Gegenteil – er bot mir einen Stuhl an und wir begannen eine sehr emotionale Conversation über das Leben und die Familie. Er erzählte mir voller Stolz von seiner Frau und seinem Sohn und ich saß da, hörte zu und fühlte mich keine Sekunde lang unwohl. Im Gegenteil, ich war beeindruckt von so viel Bescheidenheit, Zufriedenheit und Fröhlichkeit. Er lud mich zum Chai trinken ein und ging kurz fort um welchen zu . Ich schaute mich ein wenig im Laden um und entdeckte eine kleine Buddha-Statue, die mich irgendwie faszinierte. Ich nahm sie in die Hand und…….auch wenn sich das jetzt vielleicht blöd anhört…….irgend etwas emotionales bewegte sie in mir und ich wusste, die muss ich kaufen. Hari kam zurück und ohne das ich etwas zu ihm sagen konnte, packte er mir den keinen Buddha ein und schenkte ihn mir. Nicht nur das – er sah sich in seinem Laden um und dann packte er aus den Regalen noch mehr Figuren ein…für Julia eine Eule aus Stein, für Frida 2 Elefanten, für meine Mutter einen Buddha und ich bekam noch einen Ganesh, die beliebteste Götterfigur im Hinduismus. Das Alles schenkte er mir…….Ich stand da und konnte gar nichts sagen – ich war einfach platt und wollte die Sachen auch erst gar nicht annehmen, aber ich konnte sehen, wie sehr sich Hari freute und das aus vollem Herzen mit seinem breiten Lächeln. Ich bedankte mich tausendmal und konnte gar nicht glauben, was mir gerade passiert war. Nicht genug – er lud mich für den nächsten Tag ein, mich mit seinem Motorrad zu einem Tempel zu fahren und außerdem zum Lunch zu sich nach Hause.
Es war Stück weit zu fahren, zu dem über 1000 Jahre alten ˋVedagiriswarar -Tempelˋ, auf einem Berg, hoch über der Stadt Tirukalukundram. Der Berg wird auch „Der Kailash von Südindien“ genannt und der Tempel ist dem Gott Shiva gewidmet. Wir fuhren durch die Orte und vorbei an unzähligen kleinen Bildhauer-Betrieben, die sich die Straße entlang, eng an eng reihten. Ich sah eine Weile nur noch dicke helle Staubwolken durch die Luft streifen – ein einziger Dunst um uns herum. Ich nahm instinktiv mein Tuch vor Mund und Nase. Rechts und links am Straßenrand sah ich die Männer sitzen, die an den riesigen Marmorblöcken schliffen und meißelten. Alles war bedeckt von einer dicken, hellen Staubschicht – die Straße, die Häuser, das Gras, die Bäume und auch die Menschen, die dort arbeiteten. Solche Arbeitsbedingungen……in Deutschland unvorstellbar!!! Ich glaube nicht, das die Menschen hier eine hohe Lebenserwartung haben……leider, denn es sind wahre Künstler. Zwischen den ganzen Dunst konnte ich die wunderschönen Steinfiguren sehen….Buddha, Ganesh, Shiva, Durga……alle möglichen Götter …. Meist Überlebensgroße, aber auch etwas Kleinere mit so filigranen Details und alles Handarbeit !! Die Region ist bekannt für seinen Steinmetzarbeiten und ich denke der Großteil der Skulpturen wird exportiert. Die stehen dann wahrscheinlich in den Gärten der Luxusvillen oder findet sich als Deko in den 5*Hotels wieder, vielleicht ohne darüber nachzudenken mit wieviel Schweiß und unter welchen Bedingungen sie hergestellt wurden.
Der Tempel wird seit ewigen Zeiten auch „Eagle Tempel“ genannt, weil wohl um die Mittagszeit dort immer 2 Adler erschienen, die dann von den Priestern Futter bekamen. Aber als ich dort ankam hab ich keine Adler gesehen, dafür aber unzählige Affen…..Okay..wir waren auch erst Nachmittags dort, denn der Tempel öffnet nur 2x am Tag, einmal früh und einmal nachmittags. Auf dem Weg, über die 565 überdachten Stufen, nach oben begleiteten uns die Affen, die über die Dächer rannten und polterten. Es war ganz schön anstrengend und ich merkte mal wieder, dass mir ein wenig Sport sicher gut tun würde…….Hari ist noch sehr jung, aber da er ganz schön beleibt ist, hatte er auch zu kämpfen und so machten wir unterwegs immer mal eine Pause und setzten uns auf die Stufen. Die Zeit nutzten wir zum unterhalten und Hari zeigte mir auf seinem Handy Fotos von Schulkindern. Dazu erzählte er mir, dass es viele Eltern hier in der Region gibt, die ihre Kinder aus finanziellen Gründen nicht zur Schule schicken können. Dabei kostet ein halbes Jahr Schulunterricht für ein Kind gerade mal 1000 Rupien, umgerechnet nicht mal 13 €. So haben es sich er und seine Frau zur Aufgabe gemacht, diesen Kindern eine Schulbildung zu ermöglichen oder wenigstens Lesen, Schreiben und Rechnen zu lehren. Das heißt, er organisiert, dass die Kinder abgeholt werden und zu ihm nach Hause gebracht werden. Dort hat er wohl einen überdachten Platz, wo er, sage und schreibe, 34 Kinder betreut. Er kauft ihnen Schultaschen, Stifte, Bücher, Hefte….alles was sie brauchen und versorgt sie auch noch mit Essen, denn seine Frau kocht jeden Tag für 34 Kinder. Ich schaue ihn an und frage ihn, wie er denn das alles finanziert??....Seine Antwort mit seinem breiten, weißen Lächeln….“ I don´t need a lot of money for me and my family. I´m happy to give the children a basic education for the life and make them happy….“ Ich schaue ihn fasziniert an und bin begeistert von seiner Güte…….(By the way…..er hat mich nicht einmal nach Geld für die Kinder gefragt, was man jetzt eigentlich erwarten würde……hat er aber nicht!!) Und wieder einmal mehr zeigt es mir, dass Geld sicher nicht das Wichtigste im Leben ist. Ja – im Moment brauchen wir Geld als Tauschmittel, um in der heutigen Gesellschaft zu überleben. Ohne Geld kein Essen – keine Wohnung…..etc…..Die Frage ist nur wiedermal…..Wieviel braucht man wirklich?? Warum gehen wir ständig shoppen und kaufen uns neue Sachen? Dabei könnte man mit einem Teil von dem Geld, wovon wir oftmals unnütze Dinge kaufen, anderen Menschen wirklich helfen und unterstützen. Da sind wir wieder bei dem WARUM?? Sich die Zeit nehmen, sich einmal hinzusetzen und über das WARUM wirklich nachzudenken hilft auch, sich ein Stück selbst und sein Inner-Life besser kennenzulernen. Außerdem-denkt an euer KARMA!!!
Als wir dann endlich oben ankamen, bot sich mir ein herrlicher Ausblick über die Stadt. Zwar war es etwas diesig, aber trotzdem schön. Den Tempel an sich betraten wir durch eine schmales, kleines Steintor und wir mussten uns bücken, um uns nicht den Kopf anzustoßen. Ich hatte schon Angst, dass Hari mit seinem Bauch nicht durch die Tür passt……ging aber nochmal gut ) Drinnen war es nass und duster. Von den dicken grauen Steinwänden tropfte das Wasser runter. Als wir um die Ecke kamen, sah ich dann den Schrein. Zu dem führten ein paar Stufen nach oben in einen Raum, in dem der Priester stand und die Leute segnete. Hari und ich gingen rein und der Priester begann mit mir eine kleine Puja. Danach hielt er mir einen Teller hin und ich sollte Donation geben. Dummerweise hatte ich nur wenig Geld bei mir und so legte ich alles Kleingeld was ich hatte auf den Teller. Offensichtlich war das dem Typ nicht genug….(zugegeben…es war wirklich wenig, aber ich hatte einfach nicht mehr bei mir…) und so fing er an in Tamil, seiner Sprache, laut zu schimpfen. Auch wenn ich die Sprache nicht verstand, ich verstand jedoch sinngemäß was er meinte, ohne das Hari übersetzen musste. Dann sagte ich zu dem Priester: „Look at you!!! You are much richer than me with a lot of golden necklace and golden chain on your body!!! I´m a traveller with small budget. Be happy that I gave you the last money from my pocket!!“ Er schaute mich an, lachte, dann nahm er meine Hand und alles war gut…..Jaja….India and the money…even the priest´s are corrupt……
Wir machten uns dann wieder auf den Rückweg die vielen Stufen runter und das war auch nicht leichter als das rauf gehen. Es dämmerte schon, als wir unten ankamen. Drauf aufs Motorrad und die 15 km zurück nach Mamallapuram. Das ich hier in der „Wildnis“ bin, wird mir spätestens wieder bewusst, als wir auf der Straße einer Schlange begegnen.
(Da fällt mir wieder mein Erlebnis von Goa ein…ich hatte nicht darüber geschrieben….Es war dunkel auf der Taxifahrt vom Airport nach Morjim. Ich saß auf der Rückbank und der Fahrer raste wie ein wilder. Ich sah im Scheinwerferlicht entfernt irgend etwas größeres auf der Straße liegen …..dachte zuerst ein Ast oder ein großes Stück Holz. Aber als wir näher kamen…..zu schnell näher kamen, sah ich…….es war eine riesige Schlange… bestimmt über 2 Meter lang….ich weiß noch genau, wie sie aussah….gelb, weiß und fett….vielleicht eine Python? Keine Ahnung…. Jedenfalls hatte ich noch nie so eine große Schlange in freier Wildbahn gesehen, außer vielleicht vor X-Jahren im Zoo und ich mag auch keine Schlangen, das heißt genauer…..ich habe Angst vor ihnen……Naja..ich saß ja im Auto und war sicher. Am Ende konnte der Taxifahrer nicht mehr bremsen…..ich sah, wie wir uns der Schlange in Affengeschwindigkeit nährten…. Ich war am schreien, kniff meine Augen zu, der Taxifahrer schrie ebenfalls laute Worte, die ich nicht verstand…..und dann merkte ich nur noch wie der Wagen holperte. Ich weiß nicht, ob sie das überlebt hat – ich konnte mich auch nicht umdrehen. Ich war nur geschockt und der Taxifahrer ebenso. Den Rest der Fahrt waren wir beide ganz still…..)
Am nächsten Tag verabredete ich mich mit Hari an seinem Shop. Es ist Lunch-Time. Ich schwang mich wieder auf sein Motorrad und er brachte mich zu sich nach Hause. Nach ein paar Minuten erreichten wir einen langen, einstöckigen Gebäudekomplex, mit vielen Türen. Es erinnerte mich irgendwie an eine Kaserne. Davor eine große Terrasse, auf der gerade gekocht wurde. Ganz selbstverständlich und mit seinem breiten Lachen, durch das seine weißen Zähne wieder blitzten, öffnete er mir die erste Tür und bat mich hinein. Ich stand in einem, vielleicht 15qm großem, Zimmer. Am anderen Ende des Raumes, in der Ecke sah ich 2 Betten, neben der Eingangstür einen größeren und kleineren Schrank, ich sah Spielzeug, einen kleinen Tisch, einen Fernseher an der Wand hängen und erblicke noch eine offen stehende Tür, die ins winzige Badezimmer führte. Es war alles sehr sauber. Jetzt realisierte ich es …… dieses kleine Zimmer ist das zu Hause von Hari, seiner Frau und seinem Sohn. Ich fragte nochmal nach, ob das auch sein zu Hause ist…später dachte ich, was für eine blöde Frage. Er sagte voller Stolz: „Yes“. Kurz darauf kam seine Frau herein und ich gab beiden die Geschenke, die ich mitgebracht hatte.
Ich wollte nicht mit leeren Händen zu der Einladung erscheinen und so fragte ich einfach einen Mann im Shop gegenüber meines Guesthouses, worüber sich denn eine indische Familie freuen würde, denn ich hätte eine Einladung zum Lunch bekommen. Ich bekam zur Antwort…“Über Klamotten“. Dann erklärte er sich sofort bereit, mich zu einem Geschäft in der Stadt zu fahren. Also wieder drauf aufs Motorrad und ab in die Stadt. Es ist nicht einfach etwas zu kaufen, wenn man die Personen gar nicht kennt, ich meine Hari´s Frau und seinen Sohn. Naja…am Ende kaufte ich für Hari ein schickes Hemd, für seine Frau einen roten Sari (weil mir der am besten gefiel) und für seinen Sohn ein T-Shirt, Hose und Malstifte.
Die Überraschung war mir gelungen, denn das hatten sie nicht erwartet. Und das ich auch noch die Lieblingsfarbe seiner Frau erwischt hatte und alles passte, hat mich um so mehr gefreut. Sie waren glücklich und ich hab mich mit ihnen gefreut, denn es war auch das mindeste, womit ich mich für die Gastfreundschaft bedanken konnte. Seine Frau brachte das Essen und ich bat sie, sich zu uns zu setzen. Sie stellte uns die Teller hin, lächelte freundlich und dann ging sie wieder nach draußen. Hari erklärte mir, dass sie später mit ihrem Sohn essen wird. Ich glaube aber eher, dass es einfach nicht üblich ist, sich als Frau mit an den Tisch zu setzen, wenn der Mann Gäste eingeladen hat. Die Erfahrung hatte ich auch in Nepal gemacht….. Nun kam meine Primäre, nämlich mit den Händen essen. Das hatte ich noch nie vorher gemacht, obwohl es hier und auch in Nepal ganz normal ist. Am Anfang kam ich mir etwas unbeholfen und unsicher vor. Ich schaute Hari zu, wie er mit seinen Händen das Essen formte und dann anschließend, ohne das etwas zu Boden fiel, in den Mund steckte. Er schaute zu mir und lachte. Ich machte es ihm nach und es war gar nicht so schwer. Schließlich war ich in Indien und das schon lange genug und so wurde es höchste Zeit, sich den indischen Gepflogenheiten anzupassen….nicht allen…aber manchen.. Das Essen war jedenfalls super lecker und ich musste Nachschlag nehmen, ob ich wollte oder nicht, denn eh ich mich versah, kam seine Frau wieder zur Tür herein und füllte meinen Teller mit leckerem Dal. Ich war dem Platzen nah, wollte aber auch nicht unhöflich sein. Kurze Zeit später kam dann sein süßer kleiner Sohn aus der Schule und so saßen wir zu viert in dem kleinen Zimmer und unterhielten uns über das Leben in unseren zwei unterschiedlich Welten.
Am nächsten Morgen heißt es Abschied nehmen von Mamallapuram. Meine Reise geht weiter südlich, nach Pondicherry. Ich sehne mich nach etwas Ruhe, auch um die ganzen Informationen, die ich bei der Palmblattlesung bekommen habe, zu verarbeiten. Außerdem wollte ich mir auch Auroville anschauen. Ich hatte schon viel von der Stadt gehört.
(Auroville ist eine geplante internationale Stadt, die auf der Gesellschaftstheorie von Sri Aurobindo beruht. Sri Aurobindo war ein Inder. Er lebte von 1872 – 1950, war ein revolutionärer Politiker und unheimlich gebildeter Mann. Er verbrachte einige Jahre seines Lebens in England, wo er sich intensiv mit europäischer Literatur, Geschichte und Sprachen befasste. Er hatte den Traum von einem Ort, in dem die Menschen aus aller Welt ein glückliches, gerechtes und edles Leben führen können. Diesen Traum verwirklichte ihm nach seinem Tod Mirra Alfassa, eine Französin, die mit ihm zusammen lebte. So wurde 1968 Auroville eröffnet, sogar mit der Unterstützung der indischen Regierung, der Vereinten Nationen und der UNESCO)
Pünktlich um 8:00 Uhr stand Hari mit seinem Motorrad vor meinem Guesthouse. Ich schwang mich wieder aufs Motorrad, aber diesmal mit meinem großen Rucksack auf dem Rücken und noch einen Kleinen, den ich Hari vor mir gab. Während der Fahrt zur Bushaltestelle musste ich mich bei jedem Hügel und jedem Schlagloch auf der Straße konzentrieren und aufpassen, dass mich Hari nicht unterwegs mit samt dem Rucksack verliert. Wiedermal merkte ich, ich schleppe einfach immer noch zu viele Kilos mit mir rum. Dabei hatte ich schon meine ganzen dicken Klamotten nach Hause geschickt, denn ich beschloss den Rest meiner Reise, nur an warmen Orten zu verbringen.
Wir waren pünktlich an der Bushaltestelle, die eigentlich keine richtige Haltestelle war, sondern eher eine Zusammenkunft einiger Menschen am Straßenrand. Hari brachte es dann auch noch tatsächlich fertig, mir zum Abschied noch ein Geschenk zu überreichen. Es war ein Schal mit lieben Grüßen von seiner Frau. Wir hatten noch Zeit für eine Umarmung mit dem Versprechen, dass wir im Kontakt bleiben. Dann kam auch schon der Bus mit der lautstarken Musik angerast. Ich mag die fröhliche Musik in den Bussen. Ja gut….zugegeben…manchmal könnte sie ein wenig leiser sein. Besonders wenn man eine lange Fahrt vor sich hat. Aber an dem Tag waren es nur 1 ½ Stunden.
Es hatte wahrscheinlich unterwegs geregnet. Und weil es in den Bussen meist keine, und wenn dann nur undichte Fenster gibt, waren die Sitze so ziemlich alle nass. Ich musste bis nach hinten, um einen zu finden, auf dem sich kein See befand. Ich saß noch nicht einmal und schon fuhr der Bus einem Affentempo weiter. Tja..auch wenn Züge und Flüge meistens Verspätung haben, die Busse in Indien fahren pünktlich ….. das ist jedenfalls meine Erfahrung.
Ich ließ mich kurz vor Pondicherry absetzen und nahm eine Rikscha zum Auroville. Mein Plan, ich wollte dort ein paar Tage in Ruhe verbringen und mit Schreiben verbringen. Am Ende kam dann doch alles wieder anders, wie so oft auf meiner eigentlichen planlosen Reise………Der Fahrer lies mich beim Visitor-Centre raus. Ich schaute mich um……ein schöner, friedlicher Platz unter Bäumen, gleich einem kleinen Park. Ich sah Cafés und Restaurants, Shops, viele Menschen aus allen möglichen Nationen und allen Altersklassen. Und es war soooo sauber!!! Ich suchte den Guest-Accommodation-Service und fand ein schönes Büro mit einer netten Russin hinter dem Schreibtisch. Das Problem….. da ich kein Zimmer im Voraus gebucht hatte, waren alle annehmbaren Unterkünfte ausgebucht. Das einzige was ich bekommen konnte, war ein Zimmer etwas außerhalb von dem eigentlichen Zentrum. Ich buchte das Zimmer, oder besser die Hütte für 5 Nächte. Kurze Zeit später saß ich im Elektro-Auto, das mich zu meiner Unterkunft brachte. Ich betrat das Areal und eigentlich sah alles ganz nett aus…..hübscher, urwüchsiger Garten mit einem kleinen Teich in der Mitte. Drumherum die einzelnen Hütten, an der Seite Duschen und Toilette. Ich schaute mich um, aber sah niemanden…alles war wie ausgestorben. Dann kam dann ein Typ um die Ecke und zeigte mir die Unterkünfte aus denen ich wählen konnte – zwischen einer Bambus-Hütte auf Stelzen oder einer etwas stabileren am Boden. Ich entschied mich für die Stabilere und packte meinen Rucksack ins Zimmer. Irgendwie war alles ziemlich luftig in dem Raum. Die Wände drum herum waren zwar aus Stein, aber die Giebel am Dach waren nach beiden Seiten hin offen. Es gab zwar Fenster mit Vorhängen, die waren aber auch ohne Scheiben. In dem Zimmer stand ein Bett über dem ein Moskitonetz gespannt war. Ich weiß nicht, wann das letzte mal hier jemand geschlafen hatte, denn irgendwie sammelte sich der Dreck vom Dach auf dem Moskitonetz und durchs Moskitonetz rieselte dieser dann aufs Bett. Ich setzte mich vor meine Hütte. Am Anfang fand ich es auch noch sehr urig und schön. Doch je länger ich da saß, erschleichte mich ein komisches Gefühl. Ich konnte nicht sehen, dass hier irgend welche Gäste waren….ich hatte keinen Handyempfang und kein WLAN…ich war also von der Außenwelt abgeschnitten. Ich versuchte noch, es mir schön zu reden……ja , nun kannst du dich mit dir selber beschäftigen, kannst meditieren, kannst schreiben – nichts um dich herum, was dich ablenkt……
Ich beschloss, mich ein wenig auf dem weitläufigen Areal umzuschauen. Ich lief los und irgendwann erreichte ich ein größeres Haus, in dem sich ein Kaffee befand. Ich wollte mir etwas bestellen, aber das Zahlungsmittel hier waren keine Rupien, sondern jeder Bewohner hatte eine Art Chip-Karte mit Guthaben, von der abgebucht wurde. Da stand ich nun und konnte mir nicht einmal etwas zu essen kaufen……..Ein junges Mädel neben mir checkte meine Situation und bot mir an, ihre Karte zu benutzen. In dem Moment war ich so froh, nahm dankend an und gab ihr dafür den Wert in Rupien zurück. Da saß ich nun mit meinem Kaffee und einem Stück Kuchen, worauf ich eigentlich auch nicht wirklich Hunger hatte, aber es gab auch nichts anderes. Um mich herum die Menschen, die hier in Auroville leben. Ich hörte viele verschiedene Sprachen – Englisch, Spanisch, Hindi, Russisch, Französisch und auch Deutsch.... Ich aß meinen Kuchen und machte mich auf den Rückweg. Es fing an zu dämmern und es fing an zu regnen. Zum Glück hatte ich meinen Schirm dabei und so suchte ich durch die Pfützen und Matsch watend, den Weg zurück zu meiner Hütte. Es war dunkel als ich ankam. Ich sah immer noch keine anderen Gäste und mein Gefühl, dass das doch nicht der richtige Ort für mich war, wurde immer stärker. Ich hatte aber keine andere Wahl……ich musste die Nacht hier verbringen, denn ich wusste nicht, wo ich sonst hingehen sollte. Ich schüttelte alle Bettlaken aus und versuchte es mir, mit meinen eigenen Sachen, meinem eigenen Bed-Sheet und meiner eigenen Decke irgendwie halbwegs annehmbar zu machen. Auch das Wetter passte zu meiner Stimmung, denn es schüttete wie aus Eimern. Ich lies das Licht die ganze Nacht an und schlief sehr schlecht. Für mich war klar, dass ich am nächsten morgen hier so schnell wie möglich verschwinden muss.
Ich war früh wach, stopfte alle meine Sachen in den Rucksack, schrieb einen Zettel für den Vermieter, denn ich sah auch früh niemanden – ich wollte nur so schnell wie möglich weg von dem Ort. Ich ging zurück zum Gästeservice, in der Hoffnung, ich würde noch einen andere Unterkunft bekommen. Die nette Russin gab mir auch ein paar Adressen. Doch diesmal wollte ich mir die Unterkunft vorher anschauen und machte mich auf den Weg zur International Area. Dort wäre wohl noch ein Zimmer im Tibet-House frei. Ein Zimmer für 700 Rupien, das sind umgerechnet ca. 8,50€. Die Leute dort waren auch sehr nett, doch das Zimmer für das Geld war schrecklich. In Deutschland sind 8,50€ für ein Zimmer kein Geld, doch für mich ist es ein teures Zimmer und dementsprechend dachte ich auch, es wäre ein schönes…….aber…….ich dachte mal wieder nur….besser ist, nicht zu denken und keine Erwartungen zu haben. Denn als ich das Zimmer betrat, wurde ich wiedermal enttäuscht……….Es war kein Zimmer, für mich war es eher eine Zelle…ja es sah aus wie eine schmale Gefängniszelle, nur ohne Gitter an den Fenstern. Meine Entscheidung stand fest…….ich werde jetzt hier in Auroville nicht weiter rum rennen, um ein passendes Zimmer für mich zu finden. Es war einfach nicht der richtige Zeitpunkt für mich……Ich entschloss mich, noch Mantrimandir (das Mediationszentrum) anzuschauen, dann nach Pondicherry zu fahren, mich in ein nettes Café zu setzen und darauf zu vertrauen, dass ich schon irgendwo ein nettes Zimmer finden werde.
Maren, das Mädel aus Würzburg, hatte mir irgendwann mal eine nettes französisches Café in Pondicherry empfohlen und das sollte meine Anlaufstelle sein. Ich nahm eine Rikscha und lies mich mit meinem ganzen Gepäck direkt vorm „Crepes in Touch“ absetzen. Es war wirklich soooo gemütlich und das Angebot himmlisch für mich….Es gab frischen Salat, frische Säfte und allerlei leckere französische Spezialitäten und ich genoss es. Die Eigentümerin war ebenfalls eine junge Französin. Ich fragte sie, ob ich denn meinen Rucksack deponieren könne, da ich auf der Suche nach einem Zimmer sei. Ich war gerade dabei, mein Gepäck in der Abstellkammer zu verstauen, da sagte sie zu mir, dass das Pärchen, welches gerade an der Bar Platz genommen hatte, ein Guesthouse besitzt. Ich fragte die beiden nach einem Zimmer und tatsächlich, sie hatten eines frei. Der Mann bot mir sogar an, mich mit seinem Motorrad hinzubringen. Wieder schwang ich mich mit meinem riesigen Rucksack auf das Motorrad. Unterwegs erklärte er mir noch in Englisch mit dem süßen französischem Akzent die halbe Stadt…….“Ja, der Weg führt da hin….und der Weg dort hin….und wenn du diesen Weg nimmst, dann kommst du an den Ort…“ und, und, und….. Ich mag irgendwie den englischen Akzent der Franzosen – der klingt so melodisch...
Wir fuhren ein Stück außerhalb und hielten etwas abseits in einer Seitenstraße vor einer wunderschönen alten Villa. Ich war überrascht und happy. Ich wurde zu meinem Zimmer gebracht und es war wunderbar!!! Es gab außerdem eine tolle Dachterrasse mit Küche, Hängematte und Chill-Out Liegen…. Am Ende zahlte ich auch nur 700 Rupien, bekam aber dafür ein süßes Zimmer mit Bad. Es war genau das, was ich gesucht hatte. Am Ende kam alles so , wie ich es mir vorgestellt hatte…..Wieder einmal machte ich die Erfahrung – LOSLASSEN und auf seine innere Stimme hören und alles kommt, wie es kommen soll!!!
Pondicherry - die Stadt war bis 1954 Hauptstadt von Französisch-Indien und der Einfluss aus der Kolonialzeit ist in dem französischem Viertel deutlich zu sehen. Es gibt französische Restaurants, französische Bäckereien, breite Boulevards, große Villen und schöne Parks. Die Straßen tragen Namen wie, Rue de la Porte, Rue Petit Canal oder Rue Saint-Therese. Ich genoss all die leckeren französischen Sachen….. Croissants, Baguette, Quiche, Eclair und nach langer Zeit einen richtigen Cappuccino!!! Ich fühlte mich nicht wie in Indien – nein ich fühlte mich wie Gott in Frankreich!!! Ich genoss diesen schönen Ort, schlenderte entlang der Strandpromenade und durch die Parks, besuchte den Sri Aurobindo Ashram, schaute mir die Kirchen an und lachte über den Weihnachtskitsch am Straßenrand. Ich verbrachte viel Zeit auf dem Roof-Top meines Guesthouses, kochte mein Essen und hatte sehr interessante Gespräche mit den anderen Gästen……Judy aus Australien, Sylvia aus Italien, Arthur aus Frankreich…..jeder hatte seine eigene Geschichte….
Und…..ich musste ja auch noch mal einen Doc aufsuchen, wegen meinem Fleck am Arm. Am Ende bekam ich andere Tabletten, andere Lotion und noch Seife……Und!!!! …..Es hatte geholfen….Endlich!!!....Nach 3 Monaten war mein Fleck verschwunden……Gott sei Dank!!
nach der Palmblattlesung - rechts der Leser und links Swami der Übersetzer |
...so sieht es aus....mein Palmblatt |
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der Strand in Chennai |
der Strand von Mamallapuram |
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die 5 Rathas |
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Hari und seine Familie |
Mantrimandir im Auroville |
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meine Hütte im Auroville |
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die Eingangstür zu meinem Guesthouse in Pondicherry |
Park in Pondicherry |
die Strandpromenade...war etwas stürmisches Wetter |
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