Manchmal kommt alles anders.......
………und ein paar Tage später bin ich dann doch zu dem Nepali Sprachkurs gegangen. Ich dachte, es kann ja nicht schaden, zumindest ein paar Worte auf Nepali zu können. Kaori hatte sich mir angeschlossen und so machten wir uns, zusammen mit Pino, dem Einladungszettel und einer sehr undeutlichen Wegbeschreibung auf die Suche nach den Räumlichkeiten. Irgendwo vor einem Restaurant sollte ein Weg reingehen. Wir laufen und laufen, es ist brütend heiß, wir fragen Leute nach dem Weg, aber keiner kann uns helfen. Wir irren herum und finden nichts….. Mittlerweile ist es schon nach 15 Uhr und der Kurs hat bereits begonnen. Ich erinnere mich, dass mir einer der Männer seine Telefonnummer gegeben hat und so rufe ich an. Ich sage Sushil, wir stehen irgendwo in einer Seitenstraße, nur wo genau?......keine Ahnung!!! Kein Straßenname.....Wie soll ich erklären, wo wir uns befinden? Gegenüber erblicke ich einen Typ vor seinem Laden, ich drücke ihm mein Handy in die Hand und frage, ob er Sushil am anderen Ende der Leitung erklären kann, wo wir uns befinden. Ein paar Minuten später sitzen wir zu dritt, plus Pino bei dem kleinen Sushil auf dem kleinen Motorroller. Und noch ein paar Minuten später erreichen wir unser Ziel, ein größeres 3-stöckiges Wohnhaus. Wir hatten uns doch total verlaufen. Kein Wunder bei der Wegbeschreibung. Die war ungefähr so, als ob man einem Touristen in München den Weg von der Türkenstraße zur Karl-Theodor-Straße auf ein A5 Zettel pinselt, jedoch ohne irgend einen Straßennamen zu vermerken. Ganz oben am Haus hängt ein kleines Schild mit der Aufschrift „Voice of Street“. Ich erkenne das Logo….es steht auch auf der Einladung. Aber was bedeutet eigentlich Voice of Street? Auf Deutsch…Stimme der Straße?...Was hat das alles mit einem Nepali Sprachkurs zu tun? Und warum nehmen die für den Kurs kein Geld? Fragen über Fragen…….
Wir laufen die Treppen hoch und ganz oben auf der Dachterrasse warten auch schon Pradip (der andere Mann vom Java Café) und die Teilnehmer, besser gesagt Teilnehmerinnen. Es sind alles Frauen und jeder Schülerin ist eine Nepali Volontärin zugeteilt. Sie hocken draußen in Zweiergruppen auf dem Boden verteilt, mit Zettel und Stift bewaffnet. Mit uns zusammen sind wir 5 - eine Mexikanerin, eine Französin, eine Australierin, Kaori aus Japan und ich aus Deutschland. Wir werden herzlich begrüßt und alle stürzen sich erstmal auf Pino……wie immer sorgt die kleine Chihuahua-Lady erstmal für Aufsehen. Ich schaue mich um. Neben Wassertanks, Solaranlage und ausrangierten Hausrat, befinden sich noch zwei kleine Räume spartanisch eingerichtet. An den giftgrünen Wänden hängen unter anderem vereinzelt Fotos von Kindern, die nicht gerade glücklich aussehen. Nachdem nun alle Pino begrüßt und sich wieder beruhigt haben, bekommen nun auch wir beide einen „Lehrer“ zur Seite gestellt und so sitze ich kurze Zeit später mit Sushil zusammen auf dem Boden. Vor mir einen Block, einen Stift und Fotokopien mit einfachen englischen Sätzen und den dazugehörigen Übersetzungen auf Nepali.
Ich merke schnell, dass die Buchstaben, wie sie geschrieben stehen, doch ganz anders ausgesprochen werden und so fange ich an, mir die Worte so aufzuschreiben, wie sie ausgesprochen werden….
How are you? / Tapai lei kosto tscha? – I´m fine. / Tik tscha.
What´s your name? / Tapaiko nam ke ho? - My name is Silvana. / Mero naam Silvana ho.
(Jim!! Bitte verzeihe mir die Nepali Übersetzung- dir sträuben sich bestimmt die Haare …hihi….sorry!!)
…und wohlgemerkt, dass sind nicht mal die richtigen Schriftzeichen….die sehen nämlich irgendwie so aus तिमीलाई कस्तो छ……
Ich versuche zu sprechen und bekomme fast einen Krampf in die Zunge….Sushil lacht sich tod und ich stelle fest, das mir das zu viel Stress macht und den kann ich nun wirklich nicht gebrauchen. Ich lenke ab und frage, warum sie eigentlich den Kurs ‚for free‘ anbieten und was die eigentliche Arbeit von „Voice of Street“ ist. Sushil erklärt mir, dass es ihnen einfach Spaß macht, Touristen die Sprache zu lernen. „Wenn man in einem Land ist, sollte man auch die Sprache lernen.“, so seine Worte und ich kann dem eigentlich nur zustimmen. Jedoch fühle ich mich im Moment damit überfordert. Weiter erzählt er mir, dass er von Beruf Counselor ist ( Counseling = psychosoziale Beratung, eine Art Sozialarbeiter) und ´Voice of Street´ eine Non-Profit-Organisation ist, die sich um die Straßenkinder Pokhara´s kümmert. Das interessiert mich sofort und ich stelle tausend Fragen. Wieviel Kinder auf der Straße leben?.....Wie viele Kinder sie betreuen? ……..Wie ihre Arbeit aussieht?.......Warum diese Kinder überhaupt auf der Straße leben müssen? …..Wie alt sie sind? …..und..und..und
Wie viele Kinder in Nepal auf der Straße leben, weiß niemand genau. Mehr als 5000 wird geschätzt. Die Zahl haut mich um. 96% davon sind Jungens. Mädchen verlassen ihr zu Hause weit aus weniger, als die Jungen und wenn sie gehen, dann leben sie nicht auf den Straßen Nepals, sondern werden meist nach Indien verkauft und arbeiten dann dort als Prostituierte….unfassbar!!! Wir reisen in eines der ärmsten Länder der Welt um die atemberaubende Landschaft des Himalaya zu bestaunen und die meisten von den Touristen wissen nichts über das Land und das Leben hier oder verschließen ihre Augen und möchten es auch nicht wissen……..Ich zumindest wusste das bis heute nicht.
24 Kinder betreut ‚Voice of Street‘ , auf der Straße hier in Pokhara leben aber weitaus mehr. Die Kleinsten, die sie betreuen sind 6 Jahre die ältesten zwischen 16 und 17 Jahren. Die Kinder leben auf der Straße, weil ihre Eltern dem Alkohol verfallen sind, die Eltern ihre Kinder nicht mehr in die Schule schicken, sondern zum arbeiten um die Familie mit zu ernähren, oder aber die Kinder von einem neuen Partner nicht akzeptiert werden und so laufen sie einfach weg von einem zu Hause, was in Wirklichkeit auch keines ist. Er zeigt mir Fotos auf seinem Handy und was ich sehe, erschüttert mich……die Kinder liegen nachts schlafend irgendwo unter einer Brücke, oder in der Straßenecke auf dem blanken Boden. Solche Bilder kenne ich auch von Obdachlosen in Deutschland…..aber das hier sind Kinder!!!!
Ein weiteres Problem sei, so erklärt mir Sushil, dass die Menschen in den Dörfern nichts von Verhütung gehört haben und so munter Kinder in die Welt setzen, obwohl sie für sich nicht mal selbst genug zum Leben haben. Er zeigt mir ein weiteres Foto und sagt dazu: „That´s the problem!“ Darauf sehe ich eine Familie mit 5 Kindern in einer Bretterhütte. Die Frau sitzt halb nackt da und stillt ihr ebenfalls nacktes Baby an der Brust. Daneben 4 weitere Kinder im Alter zwischen 1 und 7 Jahren….alle verdreckt und ohne Kleidung. Ich mache das Bild auf dem Handy größer und kann in die starren, verängstigten Augen der Kinder schauen. Wie schlimm!!!! In meinen Gedanken sehe ich Frida´s strahlende Kinderaugen und hier auf dem Foto schaue ich direkt ins Elend der Kinder, die für ihre Situation nichts können……..ich bin geschockt!!!!
Ich will mehr wissen über die Arbeit…… Jeden Abend fahren Sushil und andere Mitarbeiter von VOS raus, suchen die Kinder und bringen ihnen Essen. Manchmal fahren sie die Kinder zu Freunden in ein Restaurant, dort werden sie gewaschen, bekommen etwas zu Essen und werden mit neuer Kleidung versorgt (falls sie etwas zum Verteilen haben). Sie geben den Kindern Unterricht im Lesen und Schreiben und erklären, wie man sich richtig verhält. Die Kinder wissen nicht, was gut und was schlecht ist. Für sie zählt der Kampf ums Überleben und deshalb kennen sie oftmals nur Gewalt. Sushil erzählt mir von seinem Traum…ein ˋTransit-House´…ein Haus mit Garten, in dem die Kinder ein ZU HAUSE finden, einen normalen Alltag haben, sie unterrichtet werden und selbst Obst und Gemüse anbauen können. Und von dort aus könnten die Kinder dann vermittelt werden. Hört sich gut an, doch das ganze gestaltet sich jedoch ziemlich schwierig und meistens scheitert es an dem finanziellen, wie die Mietzahlung…und die kostet gerade mal 15000 Rupien im Monat, das sind umgerechnet ca.125€.
Ich spüre das ich helfen muss und sage zu Sushil, dass ich leider hier keine finanzielle Unterstützung geben kann, aber ich könnte helfen den Kindern das essen zu bringen oder irgend etwas anderes. Wir verabreden uns für den nächsten Tag und ich verabschiede mich, ohne nepalesische Sprachkenntnisse, dafür aber mit tiefen Eindrücken in eine andere Welt, die mir bislang fremd war.
Zurück im Hotel erhalte ich einen Anruf von meiner Mutter. Ich erzähle ihr ganz aufgeregt von meinem Erlebten und schicke ihr per Whatsapp die Fotos von den Kindern. Sie ist genau so betroffen wie ich und bietet sofort ihre finanzielle Hilfe an…..meine Mama halt!! Sie hat ein großes Herz und eine ebenso große soziale Ader. Der Grund ihres Anrufes war aber das traurige Ereignis, dass Ralf Weisheit aus Struth-Helmershof viel zu früh verstorben ist. Ich war ziemlich geschockt……Sie erzählt mir weiter, dass es sein Wunsch gewesen sei, bei der Trauerfeier statt Blumen, Geld für Hilfsprojekte in Nepal und Afrika zu spenden. Meine Mutter informierte Ralf´s Familie, dass sie in seinem Namen 100 € für ´Voice of Street´ spendet und darüber hinaus überweist sie mir noch einen, nicht unerheblichen Betrag für die Straßenkinder.
Am nächsten Tag bin ich mit Sushil zum Kaffee verabredet. Ich erzähle ihm von meinem Gespräch mit meiner Mutter, ihrer finanziellen Unterstützung und Ralf’s Wunsch. Sushil ist überwältigt und sprachlos. Er ruft sofort Pradip, den Präsidenten der Organisation, an und erzählt die Neuigkeiten. Und Pradip erzählt, dass er heute ein Gespräch wegen dem Mietvertrag für das Transit-Haus hat. Ich freue mich für die Beide und hoffe sie bekommen das Haus. Wir sitzen eine Weile und besprechen, was wir mit dem Geld machen und entscheiden uns, davon Schlafsäcke, Matratzen und Decken zu kaufen. Gesagt getan….kurze Zeit später wälzen wir uns durch die Läden auf der Suche nach guten und günstigen Sachen . Das ist schwieriger als gedacht, denn für einen guten Schlafsack kann man hier auch locker 160 € hinblättern. Die Leute sind aber verhandlungsbereit, als sie hören, für was wir das alles brauchen und so bekommen wir schöne, praktische Sachen für wirklich sehr günstiges Geld und sind Happy….. Ich bin auch geschafft, denn bei strömenden Regen auf dem Scooter von einem Laden zum nächsten war auch anstrengend, aber ich weiß ja wofür…...
Einen Tag später ruft mich Sushil an und fragt ob ich Zeit hätte. Er will mich abholen unter dem Vorwand nochmal über die Arbeit von VOS zu sprechen. Okay….ich habe nichts geplant und so sitze ich eine halbe Stunde später wieder bei ihm auf dem Roller und wir fahren zum Büro. Dort angekommen wundere ich mich, warum denn alle Volontärs hier im Raum zusammen auf dem Boden sitzen. Ich schau mich freundlich lächelnd um und sie begrüßen mich alle herzlich mit einem ebenso freundlichen Lächeln. Drumherum stehen die Matratzen und Decken, die wir gestern gekauft haben. Ich werde gebeten auch mit auf dem Boden Platz zu nehmen, denn Stühle gibt es nicht. Was dann folgt, damit habe ich nicht gerechnet. Pradip, ein wirklich netter junger Typ, der sich als Präsident ja auch selbst gerne reden hört, ergreift das Wort und hält eine Rede für meine Mutter, eine in Gedenken an Ralf und eine für mich. Ich sitze nur da und kann gar nicht glauben, was da jetzt geschieht. So viel Aufmerksamkeit möchte ich doch gar nicht!!!!! Dann muss ich mich erheben und bekomme eine typische Dankeszeremonie mit rotem Pulver auf die Stirn und Khata um den Hals. Außerdem übergibt mir Pradip 3 Urkunden…eine als Erinnerung an Ralf, eine für meine Mutter und eine für mich. Alle Volontär-Mädels stehen nun nacheinander auf und sprechen mir aus tiefsten Herzen ihr Dankeschön aus. Ich bin einfach nur berührt von so viel ehrlicher Dankbarkeit. Die Betonung liegt wohlgemerkt auf EHRLICH!! Dann bittet mich Pradip doch tatsächlich auch noch ein paar Worte zu sagen. Nur weil er sich gerne reden hört, denkt er vielleicht, dass es andere auch gerne tun….ich aber nicht !! Aber hilft ja nix….da muss ich jetzt durch….. Na gut…..My English maybe is like a 5th-Class-Student……halt nicht wirklich gut, aber es versteht jeder, was ich ausdrücken möchte. Ich sollte mir wirklich nicht immer so viele Gedanken machen, ob das jetzt richtig ist oder nicht……ist allein mein Problem…..aber ich arbeite daran
Wir sitzen noch eine Zeit zusammen, draußen auf der Terrasse reden und lauschen den Gitarrenklängen von Pradip und Sushil. Ich erfahre ein wenig mehr über den ein oder anderen Volontär. Asta studiert z.Bsp. Computer Technik und Bharati ist Finanzkauffrau und arbeitet bei der Nabil Bank in der Kreditabteilung. Alles hört sich so ganz normal an, wie bei uns in Deutschland, nur ist es doch anders…..wie höre ich hier so oft….same same…but different…..
Es war ein unerwartet schöner Tag und ich bin auch dankbar so tolle, engagierte junge Menschen kennengelernt zu haben.
Erlaubt mir eine Anmerkung: Wir leben zu Hause in Deutschland in einer Wohlstandsgesellschaft. Uns geht es wirklich gut (den Stress den wir durch unsere Umwelt, Job…etc… ausgesetzt sind, mal ausgenommen…das ist eine andere Story)…..wir sind krankenversichert, rentenversichert und manchmal überversichert. Wir haben mehr als man zum Leben benötigt und brauchen uns keine Gedanken zu machen, was morgen zum Essen auf den Tisch kommt. Wir kaufen manchmal aus einer Laune heraus viele Sachen, die nicht lebensnotwendig sind und schmeißen Dinge einfach fort, weil wir sie nicht mehr brauchen, obwohl wir diese vielleicht noch nicht einmal benutzt haben. Groß Gedanken darüber machen wir uns wenig. WARUM ?? Diese kurze Frage sollten wir uns viel öfter stellen. Bei allem was wir tun …… WARUM ?? Für mich ist das die wichtigste Frage überhaupt. Wenn du dir immer nach der Antwort die Frage wieder erneut stellst….. ABER WARUM?? ….dann erfährst du so viel über dich selbst. Probiere es mal aus….ist voll interessant!!
EINE BITTE hab ich noch: Falls ihr Klamotten habt, die ihr nicht mehr braucht, Decken oder Schuhe, hauptsächlich für Jung´s - bitte nicht wegschmeißen!!! Wenn ich zurück bin, würde ich die Sachen gerne einsammeln und zu „Voice of Street“ nach Pokhara schicken. Und wenn irgendjemand spürt, er möchte ein wenig mehr in finanzieller Hinsicht, so könnt ihr mich gerne per E-Mail kontaktieren silvana.menz@web.de
Ihr findet alle Infos über die Organisation auch bei Facebook. www.facebook.com/Voice-of-street
Wir laufen die Treppen hoch und ganz oben auf der Dachterrasse warten auch schon Pradip (der andere Mann vom Java Café) und die Teilnehmer, besser gesagt Teilnehmerinnen. Es sind alles Frauen und jeder Schülerin ist eine Nepali Volontärin zugeteilt. Sie hocken draußen in Zweiergruppen auf dem Boden verteilt, mit Zettel und Stift bewaffnet. Mit uns zusammen sind wir 5 - eine Mexikanerin, eine Französin, eine Australierin, Kaori aus Japan und ich aus Deutschland. Wir werden herzlich begrüßt und alle stürzen sich erstmal auf Pino……wie immer sorgt die kleine Chihuahua-Lady erstmal für Aufsehen. Ich schaue mich um. Neben Wassertanks, Solaranlage und ausrangierten Hausrat, befinden sich noch zwei kleine Räume spartanisch eingerichtet. An den giftgrünen Wänden hängen unter anderem vereinzelt Fotos von Kindern, die nicht gerade glücklich aussehen. Nachdem nun alle Pino begrüßt und sich wieder beruhigt haben, bekommen nun auch wir beide einen „Lehrer“ zur Seite gestellt und so sitze ich kurze Zeit später mit Sushil zusammen auf dem Boden. Vor mir einen Block, einen Stift und Fotokopien mit einfachen englischen Sätzen und den dazugehörigen Übersetzungen auf Nepali.
Ich merke schnell, dass die Buchstaben, wie sie geschrieben stehen, doch ganz anders ausgesprochen werden und so fange ich an, mir die Worte so aufzuschreiben, wie sie ausgesprochen werden….
How are you? / Tapai lei kosto tscha? – I´m fine. / Tik tscha.
What´s your name? / Tapaiko nam ke ho? - My name is Silvana. / Mero naam Silvana ho.
(Jim!! Bitte verzeihe mir die Nepali Übersetzung- dir sträuben sich bestimmt die Haare …hihi….sorry!!)
…und wohlgemerkt, dass sind nicht mal die richtigen Schriftzeichen….die sehen nämlich irgendwie so aus तिमीलाई कस्तो छ……
Ich versuche zu sprechen und bekomme fast einen Krampf in die Zunge….Sushil lacht sich tod und ich stelle fest, das mir das zu viel Stress macht und den kann ich nun wirklich nicht gebrauchen. Ich lenke ab und frage, warum sie eigentlich den Kurs ‚for free‘ anbieten und was die eigentliche Arbeit von „Voice of Street“ ist. Sushil erklärt mir, dass es ihnen einfach Spaß macht, Touristen die Sprache zu lernen. „Wenn man in einem Land ist, sollte man auch die Sprache lernen.“, so seine Worte und ich kann dem eigentlich nur zustimmen. Jedoch fühle ich mich im Moment damit überfordert. Weiter erzählt er mir, dass er von Beruf Counselor ist ( Counseling = psychosoziale Beratung, eine Art Sozialarbeiter) und ´Voice of Street´ eine Non-Profit-Organisation ist, die sich um die Straßenkinder Pokhara´s kümmert. Das interessiert mich sofort und ich stelle tausend Fragen. Wieviel Kinder auf der Straße leben?.....Wie viele Kinder sie betreuen? ……..Wie ihre Arbeit aussieht?.......Warum diese Kinder überhaupt auf der Straße leben müssen? …..Wie alt sie sind? …..und..und..und
Wie viele Kinder in Nepal auf der Straße leben, weiß niemand genau. Mehr als 5000 wird geschätzt. Die Zahl haut mich um. 96% davon sind Jungens. Mädchen verlassen ihr zu Hause weit aus weniger, als die Jungen und wenn sie gehen, dann leben sie nicht auf den Straßen Nepals, sondern werden meist nach Indien verkauft und arbeiten dann dort als Prostituierte….unfassbar!!! Wir reisen in eines der ärmsten Länder der Welt um die atemberaubende Landschaft des Himalaya zu bestaunen und die meisten von den Touristen wissen nichts über das Land und das Leben hier oder verschließen ihre Augen und möchten es auch nicht wissen……..Ich zumindest wusste das bis heute nicht.
24 Kinder betreut ‚Voice of Street‘ , auf der Straße hier in Pokhara leben aber weitaus mehr. Die Kleinsten, die sie betreuen sind 6 Jahre die ältesten zwischen 16 und 17 Jahren. Die Kinder leben auf der Straße, weil ihre Eltern dem Alkohol verfallen sind, die Eltern ihre Kinder nicht mehr in die Schule schicken, sondern zum arbeiten um die Familie mit zu ernähren, oder aber die Kinder von einem neuen Partner nicht akzeptiert werden und so laufen sie einfach weg von einem zu Hause, was in Wirklichkeit auch keines ist. Er zeigt mir Fotos auf seinem Handy und was ich sehe, erschüttert mich……die Kinder liegen nachts schlafend irgendwo unter einer Brücke, oder in der Straßenecke auf dem blanken Boden. Solche Bilder kenne ich auch von Obdachlosen in Deutschland…..aber das hier sind Kinder!!!!
Ein weiteres Problem sei, so erklärt mir Sushil, dass die Menschen in den Dörfern nichts von Verhütung gehört haben und so munter Kinder in die Welt setzen, obwohl sie für sich nicht mal selbst genug zum Leben haben. Er zeigt mir ein weiteres Foto und sagt dazu: „That´s the problem!“ Darauf sehe ich eine Familie mit 5 Kindern in einer Bretterhütte. Die Frau sitzt halb nackt da und stillt ihr ebenfalls nacktes Baby an der Brust. Daneben 4 weitere Kinder im Alter zwischen 1 und 7 Jahren….alle verdreckt und ohne Kleidung. Ich mache das Bild auf dem Handy größer und kann in die starren, verängstigten Augen der Kinder schauen. Wie schlimm!!!! In meinen Gedanken sehe ich Frida´s strahlende Kinderaugen und hier auf dem Foto schaue ich direkt ins Elend der Kinder, die für ihre Situation nichts können……..ich bin geschockt!!!!
Ich will mehr wissen über die Arbeit…… Jeden Abend fahren Sushil und andere Mitarbeiter von VOS raus, suchen die Kinder und bringen ihnen Essen. Manchmal fahren sie die Kinder zu Freunden in ein Restaurant, dort werden sie gewaschen, bekommen etwas zu Essen und werden mit neuer Kleidung versorgt (falls sie etwas zum Verteilen haben). Sie geben den Kindern Unterricht im Lesen und Schreiben und erklären, wie man sich richtig verhält. Die Kinder wissen nicht, was gut und was schlecht ist. Für sie zählt der Kampf ums Überleben und deshalb kennen sie oftmals nur Gewalt. Sushil erzählt mir von seinem Traum…ein ˋTransit-House´…ein Haus mit Garten, in dem die Kinder ein ZU HAUSE finden, einen normalen Alltag haben, sie unterrichtet werden und selbst Obst und Gemüse anbauen können. Und von dort aus könnten die Kinder dann vermittelt werden. Hört sich gut an, doch das ganze gestaltet sich jedoch ziemlich schwierig und meistens scheitert es an dem finanziellen, wie die Mietzahlung…und die kostet gerade mal 15000 Rupien im Monat, das sind umgerechnet ca.125€.
Ich spüre das ich helfen muss und sage zu Sushil, dass ich leider hier keine finanzielle Unterstützung geben kann, aber ich könnte helfen den Kindern das essen zu bringen oder irgend etwas anderes. Wir verabreden uns für den nächsten Tag und ich verabschiede mich, ohne nepalesische Sprachkenntnisse, dafür aber mit tiefen Eindrücken in eine andere Welt, die mir bislang fremd war.
Zurück im Hotel erhalte ich einen Anruf von meiner Mutter. Ich erzähle ihr ganz aufgeregt von meinem Erlebten und schicke ihr per Whatsapp die Fotos von den Kindern. Sie ist genau so betroffen wie ich und bietet sofort ihre finanzielle Hilfe an…..meine Mama halt!! Sie hat ein großes Herz und eine ebenso große soziale Ader. Der Grund ihres Anrufes war aber das traurige Ereignis, dass Ralf Weisheit aus Struth-Helmershof viel zu früh verstorben ist. Ich war ziemlich geschockt……Sie erzählt mir weiter, dass es sein Wunsch gewesen sei, bei der Trauerfeier statt Blumen, Geld für Hilfsprojekte in Nepal und Afrika zu spenden. Meine Mutter informierte Ralf´s Familie, dass sie in seinem Namen 100 € für ´Voice of Street´ spendet und darüber hinaus überweist sie mir noch einen, nicht unerheblichen Betrag für die Straßenkinder.
Am nächsten Tag bin ich mit Sushil zum Kaffee verabredet. Ich erzähle ihm von meinem Gespräch mit meiner Mutter, ihrer finanziellen Unterstützung und Ralf’s Wunsch. Sushil ist überwältigt und sprachlos. Er ruft sofort Pradip, den Präsidenten der Organisation, an und erzählt die Neuigkeiten. Und Pradip erzählt, dass er heute ein Gespräch wegen dem Mietvertrag für das Transit-Haus hat. Ich freue mich für die Beide und hoffe sie bekommen das Haus. Wir sitzen eine Weile und besprechen, was wir mit dem Geld machen und entscheiden uns, davon Schlafsäcke, Matratzen und Decken zu kaufen. Gesagt getan….kurze Zeit später wälzen wir uns durch die Läden auf der Suche nach guten und günstigen Sachen . Das ist schwieriger als gedacht, denn für einen guten Schlafsack kann man hier auch locker 160 € hinblättern. Die Leute sind aber verhandlungsbereit, als sie hören, für was wir das alles brauchen und so bekommen wir schöne, praktische Sachen für wirklich sehr günstiges Geld und sind Happy….. Ich bin auch geschafft, denn bei strömenden Regen auf dem Scooter von einem Laden zum nächsten war auch anstrengend, aber ich weiß ja wofür…...
Einen Tag später ruft mich Sushil an und fragt ob ich Zeit hätte. Er will mich abholen unter dem Vorwand nochmal über die Arbeit von VOS zu sprechen. Okay….ich habe nichts geplant und so sitze ich eine halbe Stunde später wieder bei ihm auf dem Roller und wir fahren zum Büro. Dort angekommen wundere ich mich, warum denn alle Volontärs hier im Raum zusammen auf dem Boden sitzen. Ich schau mich freundlich lächelnd um und sie begrüßen mich alle herzlich mit einem ebenso freundlichen Lächeln. Drumherum stehen die Matratzen und Decken, die wir gestern gekauft haben. Ich werde gebeten auch mit auf dem Boden Platz zu nehmen, denn Stühle gibt es nicht. Was dann folgt, damit habe ich nicht gerechnet. Pradip, ein wirklich netter junger Typ, der sich als Präsident ja auch selbst gerne reden hört, ergreift das Wort und hält eine Rede für meine Mutter, eine in Gedenken an Ralf und eine für mich. Ich sitze nur da und kann gar nicht glauben, was da jetzt geschieht. So viel Aufmerksamkeit möchte ich doch gar nicht!!!!! Dann muss ich mich erheben und bekomme eine typische Dankeszeremonie mit rotem Pulver auf die Stirn und Khata um den Hals. Außerdem übergibt mir Pradip 3 Urkunden…eine als Erinnerung an Ralf, eine für meine Mutter und eine für mich. Alle Volontär-Mädels stehen nun nacheinander auf und sprechen mir aus tiefsten Herzen ihr Dankeschön aus. Ich bin einfach nur berührt von so viel ehrlicher Dankbarkeit. Die Betonung liegt wohlgemerkt auf EHRLICH!! Dann bittet mich Pradip doch tatsächlich auch noch ein paar Worte zu sagen. Nur weil er sich gerne reden hört, denkt er vielleicht, dass es andere auch gerne tun….ich aber nicht !! Aber hilft ja nix….da muss ich jetzt durch….. Na gut…..My English maybe is like a 5th-Class-Student……halt nicht wirklich gut, aber es versteht jeder, was ich ausdrücken möchte. Ich sollte mir wirklich nicht immer so viele Gedanken machen, ob das jetzt richtig ist oder nicht……ist allein mein Problem…..aber ich arbeite daran
Wir sitzen noch eine Zeit zusammen, draußen auf der Terrasse reden und lauschen den Gitarrenklängen von Pradip und Sushil. Ich erfahre ein wenig mehr über den ein oder anderen Volontär. Asta studiert z.Bsp. Computer Technik und Bharati ist Finanzkauffrau und arbeitet bei der Nabil Bank in der Kreditabteilung. Alles hört sich so ganz normal an, wie bei uns in Deutschland, nur ist es doch anders…..wie höre ich hier so oft….same same…but different…..
Es war ein unerwartet schöner Tag und ich bin auch dankbar so tolle, engagierte junge Menschen kennengelernt zu haben.
Erlaubt mir eine Anmerkung: Wir leben zu Hause in Deutschland in einer Wohlstandsgesellschaft. Uns geht es wirklich gut (den Stress den wir durch unsere Umwelt, Job…etc… ausgesetzt sind, mal ausgenommen…das ist eine andere Story)…..wir sind krankenversichert, rentenversichert und manchmal überversichert. Wir haben mehr als man zum Leben benötigt und brauchen uns keine Gedanken zu machen, was morgen zum Essen auf den Tisch kommt. Wir kaufen manchmal aus einer Laune heraus viele Sachen, die nicht lebensnotwendig sind und schmeißen Dinge einfach fort, weil wir sie nicht mehr brauchen, obwohl wir diese vielleicht noch nicht einmal benutzt haben. Groß Gedanken darüber machen wir uns wenig. WARUM ?? Diese kurze Frage sollten wir uns viel öfter stellen. Bei allem was wir tun …… WARUM ?? Für mich ist das die wichtigste Frage überhaupt. Wenn du dir immer nach der Antwort die Frage wieder erneut stellst….. ABER WARUM?? ….dann erfährst du so viel über dich selbst. Probiere es mal aus….ist voll interessant!!
EINE BITTE hab ich noch: Falls ihr Klamotten habt, die ihr nicht mehr braucht, Decken oder Schuhe, hauptsächlich für Jung´s - bitte nicht wegschmeißen!!! Wenn ich zurück bin, würde ich die Sachen gerne einsammeln und zu „Voice of Street“ nach Pokhara schicken. Und wenn irgendjemand spürt, er möchte ein wenig mehr in finanzieller Hinsicht, so könnt ihr mich gerne per E-Mail kontaktieren silvana.menz@web.de
Ihr findet alle Infos über die Organisation auch bei Facebook. www.facebook.com/Voice-of-street
Kommentare
Kommentar veröffentlichen