Mein Pokhara


Ich liebe mein Pokhara…die Stadt am Fewa-See mitten in Nepal. Aber hier in Lakeside, einem Stadtteil, bekommt man von der zweit größten Stadt Nepals nichts mit. Der Ort strahlt für mich so viel Ruhe und positive Energie aus. Eine kleine Oase für Aussteiger, Hippies und Backpacker. An den Straßenseiten rechts und links reihen sich unzählige Shops, Bars, Cafés, Restaurants, Massage-und Yogastudios aneinander. Travel Agency´s offerieren ihre kommerziellen Ausflüge, Trekking-Touren und andere Freizeitaktivitäten meistens für Touristen aus aller Welt, die hier ihren Urlaub verbringen. In Pokhara bekommt man alles was das Herz begehrt und man muss aufpassen, dass man nicht in einen Shoppingrausch verfällt. Tibetischen Schmuck, alle möglichen Klamotten, Souvenirs, Kaschmirschals und jede Menge Geschäfte mit Outdoor-und Trekkingausrüstung.
Außerdem kann man sich hier auch durch die Welt futtern….angefangen von typisch nepalesischen Leckereien, kann man hier ebenso italienisch, mexikanisch, chinesisch, türkisch, thailändisch Essen. Ich liebe es jedoch an den kleinen Local-Ständen typisch einheimische Gerichte zu probieren. Erstens ist es viel billiger, da die Restaurants hier meistens noch eine Servicecharge erheben und zweitens, kommt man so auch in Kontakt mit den Einheimischen, die sich immer riesig freuen. Und da man hier so viele leckere Sachen bekommt,  hab ich schon ordentlich an Kilos zugelegt. Meine Jeans zu Hause würde ich sprengen.....egal... ich kann halt auch nicht auf das gute Essen, die leckeren Crêpes oder den Apple- Crumble Cake verzichten. Gott sei Dank haben alle meine Klamotten hier Gummizug 😊.
Ich habe ein schönes Zimmer im „Lake Mirage“ in einem kleinen Hotel und wohne dort allein, da Off-Season ist. Ich bezahle für die Unterkunft nur 500 Rupien, das sind umgerechnet ca. 4,--€. Meine Vermieter sind so nett und so werde ich auch mal zum Dal-Bhat essen zu ihnen nach Hause eingeladen. Besonders zu meiner Vermieterin Pratima habe ich ein sehr inniges Verhältnis. In ihrer bezaubernden Kurtha Suruwal sieht sie aus wie eine Prinzessin aus 1001-Nacht und von ihrem herzlichen lächeln bin ich jedesmal fasziniert. Sie besucht mich oft, wenn ich auf dem Balkon sitze und wir reden. Sie spricht fast kein englisch, jedoch weiß ich meistens, was sie mir sagen möchte. Ich hatte sie mal gefragt, ob sie mit mir zum einkaufen geht, weil ich mir hier unbedingt auch eine Kurtha kaufen wollte. Am nächsten Tag, ich war gerade auf den Weg in mein Zimmer, ruft sie hinter mir her und gibt mir mit Handzeichen zu verstehen, dass ich zu ihr kommen solle. In ihrer Wohnung angekommen nimmt sie meine Hand, führt mich ins Wohnzimmer und packt aus einer Tüte eine wunderschöne Kurtha Suruwal aus. "For you."...sagt sie mit leiser Stimme und strahlendem Lächeln. Ich schaue sie mit großen Augen an und bin einfach überwältigt. Sie schenkt mir ihr Kleid, welches sie sich hat schneidern lassen und es passt mir wie angegossen. Damit habe ich niemals gerechnet. Ich umarme sie und bedanke mich bei ihr für so viel Güte. Ich überlege, womit ich ihr mal eine Freude machen kann und frage sie auf Nepali (hab ich mir aufschreiben lassen), was denn ihr größter Wunsch sei. Zur Antwort bekomme ich: "Family happy....I´m happy....you Family" und wieder lächelt sie so bescheiden, ich nehme sie in die Arme und bin gerührt.

Auch wenn ich durch die Straßen laufe, fühle ich mich irgendwie zu Hause. Mittlerweile kenne ich ein paar Leute, und sie mich. Im Sandwichladen, wo ich manchmal frühstücke, bemerkt die Frau, dass ich ja auch schon lange hier wäre und fragt, ob ich nicht zu ihr ins Guesthouse kommen möchte. Auf dem Weg in den Supermarkt winkt mich Tsiring, meine alte tibetische Schmuckverkäuferin zu sich, nimmt meine Hände zur Begrüßung an ihre Wangen und freut sich. Dann sitzen wir in ihrem Laden, trinken Tee und plaudern über ihre Gott und die Welt. An der nächsten Ecke sitzt eine andere tibetische Frau, reicht mir ebenfalls gleich ihre Hände und erzählt mir freudestrahlend, dass mein T-Shirt jetzt ihr Lieblings-Shirt ist. Ich konnte nichts kaufen, aber hatte ihr ein paar Klamotten von mir gegeben. Ich hocke mich neben sie auf die Straße und wir plaudern ebenfalls.  Oder ich sitze mit Pratima und den anderen Nachbarinnen draußen am Straßenrand und futtern lecker Essen von einer Straßenverkäuferin für umgerechnet nicht einmal 50 Cent.  Ich genieße es, am See zu sitzen,  ne Kokosnuss zu schlürfen und die Leute zu beobachten, die vorbei ziehen oder mich von einer „Singing Bowl- Session“ (Klangschale) berieseln zu lassen. Ich kann mich nicht von diesem Land und hauptsächlich von diesem Ort trennen. Aus geplanten 4 Wochen in Nepal sind jetzt 3 Monate geworden.
Es passiert auch jeden Tag etwas, das mich einfach nicht gehen lässt. So hat mir Tsiring angeboten ein Haus zu mieten, wenn ich vor habe länger hier zu bleiben – für nicht mal 200 € im Monat. Dann, auf den Weg zum Immigration Office, das 2 km entfernt ist, bleibe ich mal wieder in einem Shop hängen und unterhalte mich mit Dhundrup, dem Verkäufer, über die Vertreibung der Tibeter durch die Chinesen, über Meditation, sein Treffen mit dem Dalai Lama und über schöne Orte, die ich mir hier in der Nähe noch anschauen sollte, eine schöne Trekking-Tour, die ich noch machen könnte und warum er hier im Laden sitzt. Nach 2 Stunden komme ich dann endlich im Immigration Office an.
Dort lächelt der Beamte, als er sieht, dass ich mein Visum schon einmal um 2 Monate verlängert habe. Wir plaudern ein wenig und er sagt zu mir, wenn ich jetzt schon zum zweiten mal verlängere, dann muss es mir ja hier in dem Land gefallen.  Er macht mich darauf aufmerksam, dass ich nur noch mal 30 Tage verlängern kann. Dann müsste ich ausreisen oder wir müssten über eine andere Art von Visa sprechen. Ich sag noch ..ja dann Arbeitsvisum. Er lacht und sagt, das einfachste wäre, ich würde einen Nepali heiraten….dann lachen wir beide….nee…denn nepalesische Männer sind so gar nicht mein Fall.
Auf dem Rückweg bin ich ins Himalayan Java Coffee auf nen großen Ice-Shake (wiedermal gesündigt). Neben mir am Tisch sitzen ein paar lustige Typen, spielen Gitarre und singen etwas krumm dazu. Auf einmal reicht mir einer einen Zettel rüber auf dem steht „Free Nepali Language Class“. Wir kommen ins Gespräch, Sushil kann sogar etwas deutsch. Hat er vor vielen Jahren in Berlin gelernt. Sie klimpern weiter auf der Gitarre, ich höre zu und hab Spaß….that's nice!! Soll ich wirklich die Sprache lernen? Und soll ich wirklich das Haus mieten? ………Eigentlich wollte ich doch noch mehr vom Land sehen………..

Tsiring macht mir einen Termin zur Hausbesichtigung und kurze Zeit später sitze ich bei einem sehr kleinen, lustigen und etwas überdrehten Nepali auf dem Motorroller. Wir fahren ein wenig außerhalb Richtung Flughafen. Nach einer Weile erreichen wir eine Wohnsiedlung und halten an einem neu gebauten Haus an. Auf dem Balkon sitzt freundlich lächelnd eine ältere Dame, wahrscheinlich seine Mutter. In dem Haus befinden sich 2 Appartements. Alles ist neu und sieht für nepalesische Verhältnisse richtig schön aus. Aber es ist eben auch noch nicht fertig. In den Appartements tummeln sich die Handwerker. Ich suche nach einem Bett, denn irgendwo muss ich ja schlafen…..vergebens. Er erklärt mir, dass er kein Bett hat. Ich erkläre ihm, dass ich ja irgendwo schlafen müsse. Hm.....komisch....Ich habe genug gesehen und so fahren wir kurze Zeit später auf dem Roller zurück zu Tsiring´s Shop. Unterwegs fragt er mich, ob ich verheiratet bin und ob ich Kinder habe. Ich sage ihm, dass ich eine Tochter habe und Single bin. Dann klatscht er mir doch tatsächlich während der Fahrt nach hinten auf meine nackten Beine, freut sich, lacht und
sagt: „ I´m single and you single!“ ( merke..nie ein engeres Kleid auf den Motoroller tragen.....hätte ich nur lieber ne Hose angezogen...) Jetzt wird mir das ganze doch etwas unheimlich. Zurück im Laden erkläre ich, dass ich ja kein Bett hätte und kein Wifi und ich deshalb nicht in das Appartement ziehen kann. Doch er lässt nicht locker…….Er würde mir ein Bett kaufen und auch Wifi installieren und mich zum essen einladen. Oh Gott…ich bekomme Panik und ich habe das Gefühl, er sieht mich wohl schon als seine Frau......wie komme ich aus der Nummer nur wieder raus??!!
Tsiring erklärt mir noch, dass ich keine Angst vor ihm haben müsse. Er wäre ein wenig abgedreht, aber mit einem guten Herz. Naja…..kann ja sein, aber ich fühle mich unwohl. Ich will sie auch nicht gleich vor den Kopf stoßen, hat sie sich doch so viel Mühe gegeben….Ich bitte diplomatisch um einen Tag Bedenkzeit. Danach suche ich mir ein ruhiges Plätzchen in einem Restaurant…muss mich von der Anstrengung erstmal erholen. Auf einmal höre ich von der Seite eine Stimme: „Hi, How are you? Do you remember? We met us yesterday at the Immigration Office.“ Ja klar…ich erinnere mich an eine kleine nette Asiatin mit ihrem noch kleineren Chiwawa, den sie unter ihrem Arm trug. Sie setzt sich zu mir und wir fangen eine rege Conversation an. Kaori, so ist ihr Name. Sie ist 42 Jahre, kommt aus Japan und reist auch schon, glaub ich 9 Monate mit Pino (so heißt der Hund) umher. Pino, genannt nach Pinot Noir (dem französischen Rotwein), ist 11 Jahre und somit eine alte Lady. Das laufen fällt ihr schwer und Herzprobleme hat sie auch. Sie bekommt Tabletten und wird deshalb meistens getragen. Das beste aber erzählt mir Kaori……..denn jeder auf der Straße würde sie immer und immer wieder fragten: „ Is it a cat or a dog?“. Ich muss laut lachen…. Neben uns sitzen ein paar andere Leute, schaun rüber und prompt höre ich die Frage aus deren Mund: „Is it a cat or a dog?“……Und Kaori verdreht genervt die Augen……..“No it´s a Hamster…..“ ihre Antwort. Dann lachen wir beide. Ein Stück weiter sitzt ein junges Mädel, schmökert in ihrem Lonley Planet Reiseführer und lächelt freundlich zu uns rüber. Wir laden sie ein, an unseren Tisch zu kommen. Sie heißt Tiphaine, ist 29 Jahre und kommt aus Lyon in Frankreich. Wir haben sofort nen Draht zueinander, unterhalten uns Stunden angeregt und verabreden uns gleich für den nächsten Tag. Ich brauche nicht mehr darüber nachzudenken, ob ich das Appartement miete oder nicht…..das Universum hat mir die beiden Mädels geschickt und so ist für mich klar, dass ich hier in Lakeside bleiben und nicht weit weg in das Appartement ziehen möchte. Ich habe ein Alibi für Tsiring.

Wir drei haben eine sehr schöne lustige Zeit zusammen……treffen uns zum Frühstück oder Dinner, plaudern über alles mögliche. Das ist ziemlich lustig, da keiner von uns perfekt englisch spricht. Ein wenig durchgeknallt ist meine kleine Japanerin auch und trinkt gerne ab und zu mal einen…….So kann es durchaus passieren, dass wir in einem Restaurant sitzen und Kaori einfach ihre mitgebrachte Flasche Wein auspackt. Wein ist hier entweder von sehr schlechter Qualität oder einfach viel zu teuer. Kaori weiß, wo sie günstig an Alkohol kommt…ob Apple-Brandy, Bier oder Wein. Außerdem schwärmt sie immer von den Roof-Top Party ´s in ihrem Hotel und lädt mich jedes mal ein. Ich habe aber keinen Bock auf Party ´s und zu viel Alkohol. Trotzdem ist sie ein sehr liebenswerter Mensch und ich mag sie. Sie sagt zu mir: „Japanese people always Party people!"
Kaori ist schon seit Juni in Pokhara und dementsprechend kennt sie viele Leute und die Leute kennen sie. Und da wir viel mit ihr unterwegs sind, kennen wir nun auch halb Lakeside.....Shopverkäufer, Restaurantbesitzer.......Paraglider Paul aus England und Brice aus Frankreich, beide leben hier schon seit vielen Jahren und da ist Jim, ein sehr symathischer Amerikaner, der ebenfalls schon seit vielen Jahren immer und immer wieder nach Pokhara kommt. Nachdem er hier mal seinen Urlaub verbracht hat, hat er seinen Job gekündigt und Pokhara für sein zu Hause erklärt, was ich gut nachvollziehen kann.......ja der Ort hat etwas magisches!! Irgendwie bleiben die Leute hier hängen oder kommen zumindest immer wieder. Ich frage mich, wie wird es mir ergehen, wenn ich mal weiter reise? Werde ich mein Pokhara vermissen, oder bin ich von den anderen Orten, die auf mich warten so begeistert, dass ich Lakeside vergesse? Nein...vergessen werde ich die Zeit hier bestimmt nicht, dafür fühle ich mich hier viel zu wohl. Jim erzählt mir, dass er vor langer Zeit mal 2 Jahre in Köln gelebt hat und so kann er auch ziemlich gut deutsch. Er hatte damals ein Stipendium für die Musikhochschule Köln als Komponist und Dirigent. Da man mit einem Touristenvisum nur 5 Monate in Nepal bleiben kann, erkundet Jim dazwischen verschiedene Länder mit dem Fahrrad. So ist er ist z.Bsp. allein durch die Weiten der Mongolei geradelt. Seine Fotos von den Reisen sind so ausdrucksstark unglaublich schön, dass man nicht genug davon sehen kann. Sein nächstes Projekt startet im Dezember und ist eine 2-jährige Tour durch Afrika mit dem Fahrrad……unglaublich!! Ich bin beeindruckt!! http://transglobalist.com (wer ihn unterstützen möchte...für 2$ im Monat ist das möglich. Infos findet ihr auf seiner Website)
Die meisten hier haben ihr westliches Leben aufgegeben und verdienen hier ihr Geld mit dem, was ihnen Spaß macht. Alle leben ein freies Leben…..Brice erzählt mir, wenn seine Arbeitserlaubnis nicht verlängert würde, dann geht er eben nach China…….tja…so einfach…..
Leider bin ich kein Paraglider und auch kein Physiotherapeut (ist hier auch sehr gefragt) ….und ich überlege, was kann ich überhaupt, womit ich Geld verdienen könnte?! Muss ich das zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt? Nein.......noch hab ich Geld auf dem Konto und außerdem wartet zu Hause ein Job auf mich......Aber will ich das alles überhaupt noch ??  Ich bin jetzt fast 3 Monate weg von zu Hause und ich mache mir tatsächlich Gedanken darüber, wie es sein wird, wenn ich wieder zurück in Deutschland bin. Die 3 Monate haben mein Denken über mein bisheriges Leben schon ein wenig verändert. Was ist überhaupt wichtig und was braucht man wirklich? Darüber hatte ich mir ja bereits schon zu Hause Gedanken gemacht. Und mehr und mehr merke ich, dass man wirklich es nicht viel ist. Ich lebe hier in einem 15qm großen Zimmer und alles was ich brauche passt in einen Rucksack. Ich vermisse bis jetzt gar nichts.....nichtmal Schwarzbrot oder High Heels.

Medi, meine Freundin aus München, fragt mich in einer Nachricht, ob ich meine Mitte und zu mir gefunden hätte.......Tja...das ist nicht einfach zu beantworten. Es ist ein Prozess und braucht Zeit sich selbst zu spüren, die Vergangenheit loszulassen und das Hier und Jetzt zu genießen. Ich ertappe mich immer wieder dabei, wie ich abtrifte in Gedanken an die Vergangenheit und alte Verhaltensmuster hochkommen, wie......alles muss schnell gehen......ich wollte doch heute dies und jenes machen, wieder nicht geschafft.........ohje, ich bin zu spät.....lauter solche Dinge und prompt reagiert mein Körper und ich weiß wieder was mein Thema ist.....also tief Luft holen, durchatmen und am besten Zeit mit sich allein verbringen.  Ich habe zwar gelernt, meine Gedanken zu kontrollieren....nur das ist nicht immer leicht. Ich komme Stück für Stück näher zu mir selbst und NEIN..ich bin noch nicht angekommen, aber auf einem guten Weg. Meine Reise ist ja auch noch nicht vorbei....Juhu!!!!!!




...hatte zuvor eine Dankeszeremonie...deshalb der rote Strich auf meiner Stirn



Kühe auf der Straße...nichts ungewöhnliches

the World Peace Pagoda


Blick auf Pokhara von der World Peace Pagoda





Baden im Fluss etwas außerhalb von Pokhara.......Herrlich!!!



                                                           
                                           

                                                   



                                                         

 


                                                                     
ein Tag am Begnas-Lake

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